Umsatzsteuer beim Gartenbau – oder: die Pflanzenlieferungen für eine Gartenanlage

Die Lieferung von Pflanzen bildet mit den damit im Zusammenhang stehenden Gartenbauarbeiten eine einheitliche komplexe Leistung, wenn auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts etwas selbständiges Drittes (Gartenanlage) geschaffen wird.

Umsatzsteuer beim Gartenbau – oder: die Pflanzenlieferungen für eine Gartenanlage

Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 14 Abs. 1 und auf Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Als „Lieferung von Gegenständen“ gilt danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als „Dienstleistung“ jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gelten für die im Streitfall entscheidende Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze[1].

Zunächst ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.

Ein einheitlicher Umsatz wird nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH für zwei Fallgruppen bejaht.

Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen[2].

Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre[3].

Nicht allein bedeutsam ist hingegen, ob die Beteiligten die Vereinbarungen in ein oder zwei Vertragsurkunden niedergelegt haben[4]. Für den umgekehrten Fall hat der BFH bereits im Urteil vom 31.05.2007 – V R 18/05[5] entschieden, dass bloß der Umstand, dass Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden, nicht die Annahme einer einheitlichen Leistung rechtfertigt.

Nach dem BFH, Urteil in BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239 können zwar jeweils selbständige Leistungen vorliegen, wenn der Betreiber einer Baumschule auf Wunsch eines Teils seiner Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen übernimmt[6]. Aus der maßgeblichen Sicht des Verbrauchers gehe dann weder die sonstige Leistung des Einpflanzens in der Pflanzenlieferung noch die Pflanzenlieferung in dieser sonstigen Leistung auf. Etwas anderes gilt jedoch, wenn unter Verwendung von Pflanzen auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts etwas selbständiges „Drittes“ i.S. einer gärtnerischen Anlage geschaffen wird[7].

Das Finanzgericht Münster ist bei seiner Entscheidung[8] in der Vorinstanz von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat daher zu Unrecht eine einheitliche Leistung mit der Begründung verneint, dass die gartenbaulichen Arbeiten und die Pflanzenlieferungen in getrennten Verträgen und zeitversetzt vereinbart und durchgeführt wurden. Für die Abgrenzung von einheitlicher Leistung zu getrennten Leistungen kommt es nicht (entscheidend) darauf an, ob die zu beurteilenden Leistungen (formal) in einem einheitlichen oder in mehreren getrennten Verträgen vereinbart wurden, sondern darauf, ob sich die jeweiligen Leistungen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Haupt- und Nebenleistung oder als komplexe Leistung darstellen[9].

Die Pflanzenlieferungen sind zwar -entgegen der Ansicht des Finanzamt- keine (untergeordnete) Nebenleistung zu den Gartenbauarbeiten als Hauptleistung. Denn sie stellen kein bloßes Mittel dar, um die Gartenbauarbeiten unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Die Gartenbauarbeiten bilden vielmehr erst im Zusammenwirken mit den eingepflanzten Büschen, Bäumen und Hecken eine Gartenanlage, sodass es sich bei diesen um ein wesentliches und unentbehrliches Element für den zu einer Wohnanlage gehörenden „Barockgarten“ handelt.

Es liegt jedoch eine einheitliche Leistung in Form einer komplexen Leistung vor, da durch die Kombination der Pflanzenlieferungen (Büsche, Sträucher, Bäume, Rasen) mit den Gartenbauarbeiten eine Gartenanlage und damit etwas Eigenständiges, Neues (Drittes) geschaffen wurde, hinter das die Pflanzenlieferungen und die Gartenbauarbeiten zurücktreten. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers geht es nicht um das bloße Einsetzen von Pflanzen, sondern um die Erstellung einer für luxuriöse Wohnungen konzipierten Gartenanlage nach dem Vorbild eines Barockgartens, bestehend aus harmonisch angelegten Rasenflächen, Beeten, Pflanzen, Bäumen, Wegen, Brüstungen, Gittern nebst Garagenbegrünung. Bei dieser Anlage sind die einzelnen Liefer- und Leistungselemente so eng miteinander verknüpft, dass etwas Neues geschaffen wurde, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Für den untrennbaren Zusammenhang spricht überdies, dass ausweislich des Auftragsleistungsverzeichnisses vereinbart war, dass der Auftragnehmer die Gewährleistung für das An- und Weiterwachsen der Pflanzen übernimmt. Die Aufspaltung dieser untrennbaren wirtschaftlichen Leistung in mehrere Leistungen erscheint daher wirklichkeitsfremd. Dem steht nicht entgegen, dass Pflanzenlieferungen und Gartenarbeiten im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht werden können. Denn dem durchschnittlichen Leistungsempfänger geht es gerade um die Verbindung beider Elemente zu einer Gesamtanlage.

Soweit das Finanzgericht ausführt, es bestünden keine Zweifel am Vorliegen getrennter Leistungen, wenn die Pflanzenlieferungen -wie ursprünglich geplant- von der Firma L und damit einem Dritten an die F ausgeführt worden wären, ist dies zwar zutreffend. Denn nach ständiger Rechtsprechung kommt eine einheitliche Leistung bei entgeltlichen Leistungen mehrerer Unternehmer nicht in Betracht[10].

Dieser (formale) Hinderungsgrund entfiel jedoch mit der 3. Ergänzungsvereinbarung vom 14.12 2009, nach der die Pflanzenlieferung von der GL-GmbH übernommen wurde. Entgegen der Ansicht des Finanzgericht ändert sich damit der steuerliche Charakter der erbrachten Leistung hin von einer getrennten zur einheitlichen Leistung.

Der Behandlung als einheitliche Leistung durch den BFH steht nicht entgegen, dass die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht darstellt, an die der BFH grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Denn nach ständiger Rechtsprechung hat der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung der Auslegung von Verträgen durch das Finanzgericht auch nachzuprüfen, ob das Finanzgericht die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten erforscht und zutreffend gewürdigt hat. Entsprechendes gilt für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung eines Leistungsbündels aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers[11].

Im Streitfall hat das Finanzgericht Münster[8] nicht berücksichtigt, dass das Interesse des Leistungsempfängers (F) auf die Erstellung einer fertigen Gartenanlage und damit eines Werkes gerichtet war, hinter das die einzelnen Lieferungen und Dienstleistungen zurücktreten. Ausweislich des Bauvertrags war Vertragsgegenstand die Übertragung sämtlicher Bauleistungen des Gewerkes „Garten- und Landschaftsbau“; dies beinhaltete alle Leistungen, die zur vollständigen, funktionsgerechten und mängelfreien Erstellung und Lieferung der beauftragten Planungs- und Bauleistungen erforderlich sind. Ausgenommen war zwar zunächst die Lieferung der Pflanzen, mit dem Abschluss der 3. Vertragsergänzung gehörte aber auch dies zum geschuldeten Leistungsumfang.

Die komplexe Leistung des Erstellens einer Gartenanlage unterliegt nicht dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für Lieferungen der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören zwar die in den Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG aufgeführten Pflanzen, um die es im Streitfall geht. Die Lieferung der Pflanzen bildet jedoch nicht den Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung, da diese -wie unter II. 2.a bereits ausgeführt wurde- wesentlich durch die Verbindung von Pflanzenlieferung und Gartenbauarbeiten bestimmt wird und sich beide Leistungsbestandteile rechtlich gleichwertig gegenüberstehen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Februar 2019 – V R 22/17

  1. BFH, Urteile vom 02.08.2018 – V R 6/16, BFHE 262, 272, unter II. 1.a, Rz 13, sowie vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352; und vom 25.06.2009 – V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, Rz 19, m.w.N.[]
  2. vgl. z.B. EuGH, Urteil Bog u.a. vom 10.03.2011 – C-497/09, EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256, Rz 54, m.w.N.; BFH, Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II. 1.a bb, Rz 19 ff.[]
  3. vgl. z.B. EuGH, Urteil Bog u.a. in EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256, Rz 53, m.w.N.; EuGH, Beschluss Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd. vom 19.01.2012 – C-117/11, EU:C:2012:29, HFR 2012, 674, Rz 29; EuGH, Urteil Deutsche Bank AG vom 19.07.2012 – C-44/11, EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945, Rz 21[]
  4. BFH, Urteile vom 19.03.2009 – V R 50/07, BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78, Rz 24, sowie vom 24.01.2008 – V R 42/05, BFHE 221, 316, BStBl II 2008, 697, unter II.b cc, Rz 26[]
  5. BFHE 217, 88, BStBl II 2008, 206, unter II. 1.b, Rz 19[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, Leitsatz[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, unter Rz 23; zum Kriterium des selbständigen Dritten, vgl. BFH, Urteil vom 03.03.1988 – V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205, unter II. 1.[]
  8. FG Münster, Urteil vom 01.12.2016 – 5 K 1145/16 U, EFG 2017, 1479[][]
  9. vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 1 Rz 720[]
  10. BFH, Urteile vom 16.10.2013 – XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 40; und vom 07.02.1992 – V R 53/85, BFHE 164, 482, BStBl II 1991, 737, Rz 14; BFH, Beschluss vom 18.04.2007 – V B 157/05, BFH/NV 2007, 1544; vgl. auch Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 1 Rz 722[]
  11. BFH, Urteile vom 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz 33, zur Garantiezusage; in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 35, zur Dinner-Show, sowie vom 13.11.2013 – XI R 24/11, BFHE 243, 471, BStBl II 2017, 1147, Rz 44 a.E.[]