Die Gewinnrealisierung tritt bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.

Der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung -GoB-[1]. Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind[2]. Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen „wirtschaftlich erfüllt“ hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) -von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen- so gut wie sicher ist[3]. In diesem Fall reduziert sich das Zahlungsrisiko des Leistenden darauf, dass der Empfänger Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird[4].
Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt“, wenn sie -abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen- erbracht worden ist[5]. Zwar bedarf es bei Werkverträgen i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen[6]. Dies kann uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn die Wirkungen der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmers nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden[7].
Dies ist bei den von der Ingenieurgesellschaft erbrachten Planungsleistungen der Fall, da für deren Abrechnung die Bestimmungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gelten. Nach § 8 Abs. 2 HOAI in der im Streitjahr geltenden Fassung vom 21.09.1995[8] hat der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen für bereits nachgewiesene Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Dieser setzt weder voraus, dass eine Teilabnahme vereinbart worden ist, noch, dass eine solche tatsächlich erfolgt ist. Erforderlich ist lediglich, dass der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorgelegt hat. Zweck der Regelung ist es, dem Auftragnehmer die Nachteile der bestehenden Vorleistungspflicht zu nehmen, da es sachlich nicht gerechtfertigt ist, dem Auftragnehmer einen beträchtlichen Teil des Honorars für eine längere Zeit vorzuenthalten, wenn die zu vergütende Leistung bereits erbracht worden ist[9].
Da weder die Abnahme der Planungsleistung noch die Stellung einer Honorarschlussrechnung für die Entstehung des Honoraranspruchs nach § 8 Abs. 2 HOAI von Bedeutung sind, ist mit der auftragsgemäßen Erbringung der Planungsleistung die Abschlagszahlung bereits verdient[10]. Sie ist dem Leistenden auch „so gut wie sicher“, da eine Rückforderung geleisteter Abschlagszahlungen ausgeschlossen ist, wenn der Auftragnehmer durch Überreichung einer prüfbaren Honorarschlussrechnung nachweist, dass der Honoraranspruch in der bereits abgerechneten Höhe entstanden ist[11]. Der Auftragnehmer hat es danach -unabhängig von der Abnahme des Werkes- selbst in der Hand, ob er das bereits verdiente Entgelt behalten kann. Es besteht somit kein Grund, Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. Mai 2014 – VIII R 25/11
- BFH, Urteile vom 10.09.1998 – IV R 80/96, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21; vom 06.12 1983 – VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227; Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 44[↩]
- BFH, Urteil vom 17.03.2010 – X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 20.03.2013 – X R 15/11, BFH/NV 2013, 1548; vom 03.08.2005 – I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom 12.05.1993 – XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786; vom 28.01.1960 – IV 226/58 S, BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 24.01.2008 – IV R 87/06, BFHE 220, 385, BStBl II 2008, 428; vom 08.09.2005 – IV R 40/04, BFHE 211, 206, BStBl II 2006, 26, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 13.12 1979 – IV R 69/74, BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239[↩]
- BGBl I 1995, 1174[↩]
- Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 22.12 2005 – VII ZB 84/05, BGHZ 165, 332, m.w.N.; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 8 Rz 22, 54; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 7. Aufl., § 8 Rz 58 ff.; Pott/Dahlhoff, HOAI, 5. Aufl., § 8 Rz 10[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 129, 390, BStBl II 1980, 239; vom 29.11.2007 – IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557; in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291[↩]
- BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 130/06, NJW-RR 2008, 328, m.w.N.; Korbion/Mantscheff/Vygen, a.a.O., § 8 Rz 61[↩]