Nach § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerentsendegesetz vom 26.02.1996 in der Fassung vom 21.12 2007 (AEntG aF) bzw. nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 2 AEntG in der ab dem 24.04.2009 geltenden Fassung ist ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen iSv. § 175 Abs. 2 SGB III aF (jetzt § 101 Abs. 2 SGB III) erbringt.

Der VTV war im fraglichen Zeitraum allgemeinverbindlich aufgrund der AVE vom 15.05.2008 iVm. § 5 TVG und § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG aF bzw. § 8 Abs. 1 Satz 2 AEntG (ab 24.04.2009). Bauleistungen iSv. § 175 Abs. 2 SGB III aF sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen[1]. Die gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer erfasst allerdings nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, deren Betrieb von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des Baugewerbes erfasst wird[2].
Ob die Arbeitgeberin unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt, weil ihre auf den Kraftwerksbaustellen Neurath und Irsching eingesetzten Mitarbeiter als Gesamtheit von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten ausgeführt haben, kann offenbleiben. Denn jedenfalls erfüllt die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Ersten Teils Abs. 5 der AVE-Bekanntmachung:
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die auf beiden Kraftwerksbaustellen eingesetzten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin als Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten in Form von Rohrleitungsbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt haben.
Dabei ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin auf den Kraftwerksbaustellen Neurath und Irsching im streitgegenständlichen Zeitraum als Gesamtheit eingesetzt waren[3].
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft. Ihr Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst[4].
Nach diesen Maßgaben hat die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft schlüssig vorgetragen, dass die Arbeitgeberin arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt hat.
Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft hat sich bei seinem Vortrag auf die ihr zugänglichen Erkenntnisquellen bezogen, insbesondere auf das von der Arbeitgeberin vorgelegte Leistungsverzeichnis, nach dem die Arbeitnehmer Rohrleitungen aus Edelstahl zu montieren und diese an Sammler/Verteiler, Stationen, Behälter, Pumpen etc. – einschließlich der Ausführung der Anschlussschweißnähte – anzuschließen hatten. Ein Vortrag „ins Blaue hinein“ liegt damit nicht vor.
Bei der Bestimmung des Begriffs des Rohrleitungsbaus in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV kann grundsätzlich nicht zwischen dem Bau oder der Instandhaltung von Versorgungsrohrleitungen einerseits und dem Bau oder der Instandhaltung von Rohrleitungen innerhalb industrieller Anlagen andererseits unterschieden werden.
Die tariflich geforderten Tätigkeiten lassen sich nicht danach einteilen, ob eine bestimmte Rohrleitungskonstruktion mit dazugehörigen Pumpen, Armaturen oä. sich innerhalb einer industriellen Anlage befindet oder ob es sich um Versorgungsrohrleitungen außerhalb einer solchen Anlage handelt. Gerade bei größeren industriellen Anlagen würde eine solche Unterscheidung zu zufälligen Ergebnissen führen. Bei identischen Tätigkeiten würde es vom Ort ihrer Erbringung abhängen, ob sie dem Anwendungsbereich des VTV unterfielen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Rohrleitungsbaus so einschränken und Rohrleitungen in industriellen Anlagen ausnehmen wollten, bietet der VTV nicht.
Stets muss es sich jedoch um Arbeiten an Rohrleitungen oder Rohrleitungssystemen handeln. Arbeiten an anderen Teilen industrieller Anlagen erfüllen die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV verlangt, dass die Tätigkeiten prägend an Rohrleitungen und den zu diesen gehörenden Aggregaten (wie zB Pumpen) ausgeübt werden und die Arbeiten an sonstigen Anlagenteilen lediglich notwendige Vorbereitungs, Anschluss- oder sonstige Zusammenhangstätigkeiten darstellen, ohne die die Rohrleitungsbauarbeiten nicht ausgeführt werden können[5]. Zu den Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV gehören dabei alle Arbeiten, die das Verlegen und Montieren von Rohren betreffen, wobei nicht maßgeblich ist, in welchem Verfahren diese Arbeiten durchgeführt werden[6]. Ebenso wenig kommt es auf das Material an, soweit es sich noch um Rohrleitungen handelt[7]. Auch das Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall ist als Rohrleitungsbau im Tarifsinn anzusehen. Unerheblich ist, ob die Arbeiten unter- oder oberirdisch durchgeführt werden[8].
Werden Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt, sind ihnen diejenigen Tätigkeiten hinzuzurechnen, die zur sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung „Rohrleitungsbau“ notwendig sind und daher mit dieser in Zusammenhang stehen[9]. Vor, Neben, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden[10]. Daher hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die von der Arbeitgeberin vorgenommene zeitanteilige Differenzierung der von den Arbeitnehmern ausgeführten Arbeiten in „Rohrleitungsbau“ mit 28 % und „Industriemontagen“ mit 72 % abgelehnt. Als Zusammenhangstätigkeit sind sowohl das Anbringen der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion (Schritt 2) anzusehen, wofür die Arbeitgeberin einen Zeitanteil von 20 % angegeben hat, als auch die Montage der Rohre bzw. der Spools an den Halterungen, die Feinjustierung und die Heftung der Rohrverbindungen und Rohranschlüsse (Schritt 3), deren Zeitanteil die Arbeitgeberin ebenfalls mit 20 % angegeben hat. Insgesamt würden die dem Rohrleitungsbau zuzurechnenden Tätigkeiten 68 % ausmachen und damit arbeitszeitlich überwiegen.
Rohrleitungsbauarbeiten im Tarifsinne liegen nicht vor, wenn die Arbeiten an anderen Anlagenteilen prägend sind und die Tätigkeiten an Rohrleitungen lediglich im Zusammenhang mit dieser prägenden Tätigkeit stehen, wie es zB bei notwendigen Anschlussarbeiten der Fall ist[5]. Zur Abgrenzung zwischen Rohrleitungsbau und Arbeiten an anderen Anlagenteilen bedarf es daher zunächst der Feststellung, welche Tätigkeiten im Einzelnen in welchem Umfang ausgeübt wurden. Das Bundesarbeitsgericht hat etwa das Vorliegen einer baulichen Leistung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (Trocken- und Montagebauarbeiten) verneint für den Fall des Aufbaus und der Montage einer Hochfrequenzkabine für einen Kernspintomografen in einem Krankenhaus, die notwendiger und integraler Bestandteil des medizinischen Geräts und kein eigenständiges Bauwerk oder Bestandteil des Gebäudes ist[11]. Bei im Einzelfall auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten kann es insbesondere von Bedeutung sein, ob die Tätigkeiten schwerpunktmäßig Qualifikationen eines Berufsbildes aus dem Bereich der industriellen Metallberufe (zB Anlagenmechaniker/in) oder aus dem Bereich der Bauwirtschaft (zB Rohrleitungsbauer/in) erfordern[12].
Hiernach hat die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft schlüssig vorgetragen, dass die Arbeitgeberin auf den Kraftwerksbaustellen Rohrleitungsbauarbeiten ausgeführt hat. Sie hat dargelegt, dass in den Kraftwerkskesseln die Rohrleitungen händisch montiert und mithilfe von klassischen, lediglich halbautomatischen Schweißgeräten verschweißt worden seien. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin hätten vorwiegend und prägend Tätigkeiten an anderen Anlagenteilen ausgeführt und die Tätigkeiten an Rohrleitungen hätten lediglich im Zusammenhang damit gestanden, fehlt es an hinreichenden Feststellungen.
Die Aufgabe der von der Arbeitgeberin entsandten Arbeitnehmer bestand unstreitig darin, Rohrleitungsteile in einem Stahlbaugerüst zu befestigen, zu montieren und sodann zusammenzuschweißen. Das Anbringen der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion (Schritt 2), an denen die Rohrleitungen während der Montage und des anschließenden Verschweißens aufgehängt werden, die Montage der Rohre bzw. der vorgefertigten Rohrverbindungen (Spools) an den Halterungen, ihre Feinjustierung und die anschließende Heftung der Rohrverbindungen und Rohranschlüsse (Schritt 3) und das Verschweißen der Rohrleitungen (Schritt 4) zur Sicherstellung ihrer extremen Druck- und Temperaturbeständigkeit sind – jedenfalls für sich betrachtet – typische Tätigkeiten eines Rohrleitungsbauers. Damit korrespondieren auch der im Zustimmungsbescheid der ZAV bezeichnete Inhalt der Werkverträge und das in der Gewerbeanmeldung angegebene Tätigkeitsfeld der H Niederlassung der Arbeitgeberin. Aufgabe eines Rohrleitungsbauers ist es, Druckrohrleitungen zu bauen, die Wasser, Öl, Gase oder andere Medien dorthin leiten, wo sie benötigt werden. Das Verschweißen ist eine typische Methode der Montage von Bauteilen[13]. Dass für die Ausführung der von der Arbeitgeberin geschuldeten Schweißarbeiten ein spezieller Ausbildungsnachweis erforderlich ist, steht dem nicht entgegen. Durch Absolvieren einer Schweißerprüfung, zB in einer dem Deutschen Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. angeschlossenen Ausbildungsstätte, kann sich auch ein Rohrleitungsbauer zum Rohrschweißer spezialisieren.
Die von den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin angewendeten Verfahren des Lichtbogenhand- und des Wolfram-Inertgasschweißens mit halbautomatischen Schweißgeräten kommen nicht nur im Kraftwerksbau, sondern auch im allgemeinen Rohrleitungsbau zum Einsatz. Diese Techniken stehen daher der Zuordnung der ausgeübten Tätigkeiten zu den Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV nicht entgegen. Wenn die Methode des Verschweißens von Rohrleitungen aus Metall auch außerhalb des Baugewerbes angewandt wird, zB in der Metallindustrie, und dabei dieselben Arbeitsmittel benutzt werden, schließt dies nicht aus, dass es sich um eine typische Arbeitsmethode des Baugewerbes handelt[14].
Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin vorwiegend und prägend Tätigkeiten an anderen Anlagenteilen ausgeführt haben. Danach hatten die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin nicht den kompletten Kraftwerkskessel zu bauen, sondern nur die Rohrleitungen zu montieren, die nach dem von der Arbeitgeberin vorgelegten Leistungsverzeichnis an Sammler/Verteiler, Stationen, Behälter, Pumpen etc. anzuschließen waren. Das Rohrleitungssystem dient jedenfalls auch dazu, verschiedene Teile einer industriellen Produktionsanlage miteinander zu verbinden und ein klassisches Medium – Wasser, zur Dampferzeugung zu transportieren. Dass die Arbeitgeberin keine gelernten Rohrleitungsbauer eingesetzt hat, schließt die Erbringung baulicher Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ebenfalls nicht aus.
Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Recht die Voraussetzungen des Ersten Teils Abs. 5 der AVE-Bekanntmachung bejaht. Seine Annahme, die auf den Kraftwerksbaustellen eingesetzten Arbeitnehmer seien als selbständige Betriebsabteilung iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV von der AVE-Einschränkung erfasst, weil die Betriebsabteilung dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie unterfiele, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Landesarbeitsgericht hat für den Begriff der selbständigen Betriebsabteilung in der AVE-Bekanntmachung und den darin enthaltenen Regelungen über Einschränkungen zutreffend auf die Gesamtheit von Arbeitnehmern abgestellt[15]. Es hat auch richtig erkannt, dass aufgrund der Bestimmungen zur Metall- und Elektroindustrie in Nr. 3 im Anhang 1 des Ersten Teils der AVE-Bekanntmachung auch solche Betriebe und Betriebsabteilungen nicht von der Allgemeinverbindlichkeit erfasst sind, die zwar über keine eigene Produktionsstätte verfügen, jedoch Montagen ausführen, die dem fachlichen Geltungsbereich entsprechen.
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Klagezeitraum Montagen von Rohrleitungen aus Edelstahl ausgeführt haben, die dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie entsprechen und ein Unterfallen unter diesen begründen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb dem Handwerk zuzuordnen ist oder ob es sich um einen Industriebetrieb handelt, obliegt dabei in erster Linie den Gerichten der Tatsacheninstanzen; sie haben insoweit einen Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt[16]. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist.
Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand.
Das Landesarbeitsgericht hat die Begriffe „industriell“ und „handwerklich“ nicht verkannt. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass sich ein Industriebetrieb von einem Handwerksbetrieb typischerweise aufgrund seiner Betriebsgröße, der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der Anlagenintensität unterscheidet. Die Industrie ist durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen gekennzeichnet. Ein Handwerksbetrieb ist dagegen regelmäßig kleiner und weniger technisiert. Die Arbeiten werden dort überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt. Zwar wird auch in Handwerksbetrieben modernste Technik eingesetzt. Kennzeichnend für Handwerksbetriebe ist jedoch, dass der Einsatz von Maschinen die handwerkliche Tätigkeit unterstützt und sie nicht ersetzt, und dass diese Tätigkeiten in der Regel von Arbeitnehmern mit einer einschlägigen Berufsausbildung ausgeführt werden[17]. Des Weiteren ist in einem Handwerksbetrieb typischerweise die Arbeitsteilung nicht so weit fortgeschritten, dass jede einzelne Arbeitskraft nur bestimmte – in der Regel immer wiederkehrende – und eng begrenzte Teilarbeiten auszuführen hat, wie dies in einem Industriebetrieb der Fall ist. Werden jedoch als Folge der Technisierung wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten des betreffenden Handwerks durch den Einsatz von Maschinen entbehrlich und bleibt kein Raum mehr für das handwerkliche Können, liegt eine handwerksmäßige Betriebsform eher fern[18].
Die Grenzziehung zwischen einem Industrie- und einem Handwerksbetrieb kann schwierig sein, da es große Handwerksbetriebe mit einer Vielzahl von Mitarbeitern und einem hohen Kapitaleinsatz gibt und andererseits eine auftragsbezogene Fertigung oder fehlende Produktionsstufen nicht generell der Annahme eines Industriebetriebs entgegenstehen. Ob es sich im Einzelfall um einen Handwerks- oder um einen Industriebetrieb handelt, lässt sich deshalb nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände unter Berücksichtigung der jeweiligen tariflichen Regelungen ermitteln[19].
Das Landesarbeitsgericht hat unter Beachtung dieser Grundsätze in vertretbarer Weise angenommen, die Gesamtheit der auf den Kraftwerksbaustellen beschäftigten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin habe industrielle Arbeiten verrichtet.
Rohrleitungsbauarbeiten können handwerklich ausgeführt werden. Dies zeigt die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02.06.1999 (BauWiAusbV 1999)[20], die im dazu erlassenen Rahmenlehrplan ua. die Planung des Einbaus einer Druckrohrleitung unter Berücksichtigung der verschiedenen Techniken des grabenlosen Rohrleitungsbaus einschließlich der Anlage und des Ausbaus von unter- und oberirdischen Armaturensituationen benennt.
Handwerkliche Rohrleitungsbauarbeiten im vorbeschriebenen Sinn haben die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin jedoch nicht verrichtet. Zwar haben sie, was das Landesarbeitsgericht auch berücksichtigt hat, „händisch“ gearbeitet; dies gilt auch für die Schweißer, die mit halbautomatischen, dh. mit der Hand gesteuerten Schweißgeräten gearbeitet haben. Die Aufhängung der Rohre und Spools an den Halterungen, das Zusammenbringen der Rohrenden und ihre Ausrichtung, ihre Heftung und das Abschleifen der Schweißkanten, das Ausglühen sowie das Auf- und Abbauen der Hilfskonstruktionen erfolgten ebenfalls „händisch“. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die handwerkliche Berufsausbildung für die Montage des Druckrohrsystems nicht prägend war. Die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in Deutschland hätten nur Teilleistungen mit hohem Spezialisierungsgrad ausgeführt. Sie hätten nur Halbzeuge verarbeitet und kein Produkt fertiggestellt, sondern einen Arbeitsschritt in der Herstellung einer Industrieanlage übernommen, die ihrerseits industriell und nicht handwerklich erstellt worden sei. Der Kraftwerksbau gehöre zum industriellen Anlagenbau, nicht zum Metallbauer- oder Apparatebauer-Handwerk. Damit liege ein arbeitsteiliges Vorgehen mit unterschiedlichen Produktionsstufen vor, was kennzeichnend für Industriebetriebe sei. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit nicht dem Metallhandwerk zugerechnet werden könne, weil die Leistung der Arbeitgeberin, das druckbeständige Verbinden von Rohren in Kesselanlagen von Kraftwerken durch Schweißen, nur beim Bau dieser industrieller Anlagen anfalle. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin bei dem Schweißen arbeitsteilig mit anderen Auftragnehmern oder den Herstellern zusammenarbeiten habe müssen. In die entscheidenden Arbeitsschritte – das Heften, das Formieren und das Schweißen der Rohrenden – seien auch Dritte, wie zB der TÜV, eingebunden gewesen. Soweit das Landesarbeitsgericht hieraus den Schluss gezogen hat, die Arbeitgeberin habe keine handwerkliche Leistung erbracht, hält sich dies in dem Beurteilungsspielraum, der dem Arbeitsgericht zusteht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2015 – 10 AZR 55/14
- BAG 16.05.2012 – 10 AZR 190/11, Rn. 12, BAGE 141, 299[↩]
- BAG 17.10.2012 – 10 AZR 500/11, Rn. 13[↩]
- vgl. dazu BAG 19.11.2014 – 10 AZR 787/13, Rn. 16 ff.[↩]
- st. Rspr., zuletzt zB BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13, Rn. 29 f.[↩]
- BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09, Rn. 30[↩][↩]
- BAG 21.10.2009 – 10 AZR 90/09, Rn. 22[↩]
- BAG 8.12 2010 – 10 AZR 710/09, Rn. 17[↩]
- vgl. BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09, Rn. 25, 28[↩]
- vgl. BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09, Rn. 25[↩]
- BAG 15.01.2014 – 10 AZR 669/13, Rn.19[↩]
- BAG 14.12 2011 – 10 AZR 720/10, Rn. 21[↩]
- BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09 – aaO[↩]
- BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09, Rn. 27 f.[↩]
- vgl. BAG 17.11.2010 – 10 AZR 845/09, Rn. 28[↩]
- vgl. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 500/11, Rn. 22[↩]
- BAG 9.04.2014 – 10 AZR 1085/12, Rn. 16 mwN[↩]
- BAG 26.03.2013 – 3 AZR 89/11, Rn. 16; 13.04.2011 – 10 AZR 838/09, Rn. 22[↩]
- BAG 26.03.2013 – 3 AZR 89/11 – aaO[↩]
- BAG 9.04.2014 – 10 AZR 1085/12, Rn. 15 mwN[↩]
- BGBl. I S. 1102[↩]