Bei isolierten Inspektionsarbeiten an Kabelschächten handelt es sich nicht um Bautenschutzarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Ebenfalls unerheblich ist, ob im Hinblick auf den Betrieb die gesetzlichen Vorschriften zur Teilnahme an der Winterbeschäftigungsumlage (jetzt: §§ 102, 354 SGB III) zur Anwendung kommen. Etwaige von der Bundesagentur für Arbeit in diesem Zusammenhang vorgenommene Einschätzungen sind für die Anwendbarkeit des VTV nicht maßgeblich.
Für den Anwendungsbereich des VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen.
Im vorliegend vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall waren in dem streitgegenständlichen Betrieb zu über 50 % der betrieblichen Arbeitszeit Inspektionen an Kabelschächten durchgeführt worden, ohne dass damit Sanierungsarbeiten verbunden waren. Die Kabelschächte wurden geöffnet und inspiziert und es wurden durch die Beschäftigten Daten in Papierform und in elektronischer Form (Schadenskataster Linientechnik – SchaKaL) erfasst.
Bei solchen isolierten Inspektionstätigkeiten handelt es sich nicht um Bautenschutzarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV.
Bautenschutzarbeiten iSd. Tarifnorm liegen vor, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die nach der Feststellung von Schäden an Bauwerken und Bauteilen zur Beseitigung solcher Schäden dienen und zukünftige Schäden verhindern sollen. Dazu gehören beispielsweise Fugenabdichtungen, das Trockenlegen durchfeuchteter Bauwerke, Abdichtungsarbeiten, das Imprägnieren durchfeuchteter Außenwandflächen oder Betonimprägnierungsarbeiten einschließlich kleinerer Ausbesserungsarbeiten ohne Eingriff in tragende Teile. In der Regel handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die jeweils für sich genommen den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV unterfallen (zB Abdichtungsarbeiten – Nr. 1, Bautrocknungsarbeiten – Nr. 4, Fugarbeiten – Nr. 16, Holzschutzarbeiten – Nr. 21). Einen Anwendungsbereich hat § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV vor allem für Betriebe, die im handwerksähnlichen Holz- und Bautenschutzgewerbe (Anlage B Nr. 6 zur HwO) verschiedene Tätigkeiten dieser Art ausführen, ohne dass eine Spezialisierung auf eine der in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten vorliegt und ohne dass es sich um Arbeiten handelt, für deren Ausübung auf spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten aus den jeweiligen vollhandwerklichen Berufen wie zB Maler und Lackierer oder Maurer zurückgegriffen werden muss.
Bei der isolierten Inspektion von Kabelschächten ohne Zusammenhang zu baulichen Hauptleistungen handelt es sich um bloße Vorarbeiten, die für sich genommen keine Beitragspflicht iSd. VTV auslösen, nicht schon um Bautenschutzarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV.
Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, damit diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können. Keine baulichen Leistungen liegen hingegen vor, wenn die Arbeiten an anderen, nicht zum Bauwerk gehörenden Teilen ausgeführt werden und nicht für ein Bauwerk prägend sind.
Die Tarifbeispiele des § 1 Abs. 2 Abschn. IV und V VTV erfassen nicht nur den eigentlichen Kern der jeweiligen baugewerblichen Tätigkeit, sondern darüber hinaus auch alle Arbeiten, die branchenüblich und zur sachgerechten Ausführung der baulichen Tätigkeiten notwendig sind. Vor, Neben, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden. Auch der Transport von Baumaterialien zu Baustellen kann als eine für eine sachgerechte Ausführung baulicher Leistungen notwendige Nebenarbeit qualifiziert werden. Dies gilt ebenso für Fahrdienstleistungen, das Einrichten oder das Reinigen sowie das Aufräumen von Baustellen.
Voraussetzung für ein “Zusammenrechnen” ist grundsätzlich ein Zusammenhang mit einer eigenen baulichen Haupttätigkeit. Erbringt ein Betrieb ausschließlich “Nebenarbeiten”, ohne zugleich baugewerbliche Tätigkeiten und Arbeiten auszuführen, unterfällt er nicht dem VTV. Für die Anwendung des § 1 Abs. 2 VTV kommt es allein auf die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers und grundsätzlich nicht auf die Tätigkeit von Dritten an. So differenziert beispielsweise die Rechtsprechung danach, ob es sich beim Abtransport von Abraum oder Bauschutt um selbst produziertes Material handelt oder ob der Transport für Dritte durchgeführt wird. Bei Reinigungsleistungen hängt die Zuordnung zu den baulichen Leistungen davon ab, ob es sich um “eigenständige bzw. isolierte” Reinigungsarbeiten oder nur um solche handelt, die im Zusammenhang mit einer sonstigen baulichen Leistung des Betriebs stehen.
Gemessen an diesen Grundsätzen sind im vorliegend zu beurteilenden Betrieb arbeitszeitlich überwiegend lediglich Vorarbeiten für Bautenschutzarbeiten oder für sonstige bauliche Tätigkeiten ausgeführt worden, sofern der tatsächliche Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts als zutreffend unterstellt wird. Das Landesarbeitsgericht geht ausdrücklich davon aus, dass die Inspektionstätigkeiten nicht mit Sanierungsarbeiten verbunden waren. Auch hat das Landesarbeitsgericht keinen Zusammenhang der Inspektionsarbeiten zu den im Betrieb des Beklagten unstreitig im Umfang von unter 50 % durchgeführten Tiefbauarbeiten festgestellt. In einer solchen Situation kann nicht allein deswegen, weil das Erkennen und Prüfen von Schäden zum Ausbildungsinhalt des Holz- und Bautenschützers gehört, das Vorliegen von Bautenschutzarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV bejaht werden. Zwar ist die Feststellung von Schäden notwendig, um entsprechende Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen auszulösen. Mit der isolierten Inspektion steht aber noch nicht fest, ob überhaupt Sanierungsarbeiten durchgeführt werden, selbst wenn der Prüfer deren Erforderlichkeit bestätigt. Es bedarf daher noch einer eigenen baulichen Haupttätigkeit, mit der die Inspektionsarbeiten in Zusammenhang stehen, um von Bautenschutzarbeiten ausgehen zu können. Wie § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV zeigt, können Prüfarbeiten durchaus als eigenständige Tätigkeit bewertet werden.
Isolierte Inspektionsarbeiten von Kabelschächten sind auch weder Kabelleitungstiefbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV noch sonstige bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV.
Kabelleitungstiefbauarbeiten sind Tiefbauarbeiten, wie das Ausheben und Wiederverfüllen von Gräben, die der unterirdischen Verlegung von Kabeln dienen. Ebenso gehören dazu beispielsweise die Herstellung von Kabelkanälen aus Betonfertigteilen oder die Verlegung von glasfaserverstärkten Kabelkanälen entlang von Bahntrassen, auch wenn sie ebenerdig erfolgt. Hingegen rechnet allein die Verlegung der Kabel nicht dazu. Kabelleitungstiefbauarbeiten können nicht nur im Zusammenhang mit der erstmaligen Verlegung der Kabel anfallen, sondern auch bei der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung der Anlagen. Bloße Vorarbeiten hierfür ohne einen Zusammenhang mit baulichen Hauptleistungen erfüllen diese Voraussetzungen aber, wie unter I 3 b dargelegt, nicht.
Von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV werden Betriebe erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – ua. der Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken dienen. Dazu gehören alle Arbeiten, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt sind, dh. der Herstellung oder Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit. Für die den Betrieb prägende Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Daher muss darauf abgestellt werden, welchem Zweck die vom Beklagten erledigten Arbeiten dienen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Arbeiten baulich geprägt sind. Dies ist der Fall, wenn sie nach Herkommen und Üblichkeit bzw. nach den verwendeten Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes ausgeführt werden.
Danach spricht zwar vieles dafür, dass die Inspektionsarbeiten der Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit eines Bauwerks dienen und damit die nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erforderliche Zweckbestimmung vorliegt. Allerdings müssen auch Vorarbeiten, wenn sie isoliert ausgeführt werden, baulich geprägt sein. Allein die Nutzung von Papier und Computer genügt dafür nicht. Es ist auch nicht festgestellt, dass die Inspektionsarbeiten unter Zuhilfenahme bautypischer Werkzeuge erfolgt sind oder sonstige bautypische Umstände vorlagen. Dass nach den Anforderungen ein Mitarbeiter über den sog. SIVV-Schein verfügen musste, stellt zwar ein Indiz für die Nähe zum Bau dar, hat aber für sich genommen keine ausreichend prägende Wirkung.
Die Annahme von Instandsetzungsarbeiten im Kabelleitungstiefbau iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV oder von Bautenschutzarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV kommt insbesondere in Betracht, wenn die Inspektionsarbeiten an Kabelschächten nicht isoliert durchgeführt wurden, sondern im Zusammenhang mit ebenfalls für die Auftraggeberin T durchgeführten Tiefbauarbeiten standen. Gleiches gilt, wenn die Inspektionsarbeiten mit Reinigungs- und – je nach Erfordernis – (kleineren) Sanierungsarbeiten verbunden waren. In diesem Fall diente die Tätigkeit nicht nur der Erfassung des Zustands der Schächte, sondern ihrer Wiederherstellung und der Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit durch bauliche Schutzmaßnahmen. Wurde insoweit etwa ein einheitlicher Auftrag an den Beklagten vergeben, der ggf. erforderliche (kleinere) Sanierungsarbeiten umfasste, handelte es sich um eine einheitliche bauliche Leistung. Ein solcher Arbeitsvorgang kann nicht arbeitszeitlich in die Inspektion einerseits und die Sanierung andererseits aufgeteilt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es lediglich in so minimalem Umfang zu Instandsetzungsarbeiten kommt, dass diese keinerlei prägende Wirkung für die Gesamttätigkeit entfalten. Aus diesen Gründen könnte sich im Übrigen auch eine bauliche Prägung der Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV ergeben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13