Die Montageabteilung des Bauelementeherstellers – und die Sozialkassenbeiträge

Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV gilt als selbständige Betriebsabteilung auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I bis IV erfassten Betriebs baugewerbliche Arbeiten ausführt.

Die Montageabteilung des Bauelementeherstellers – und die Sozialkassenbeiträge

Die Einbeziehung der „Gesamtheit von Arbeitnehmern“ in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfolgte durch die mit Wirkung vom 01.09.2002 für allgemeinverbindlich erklärte Neufassung des VTV vom 04.07.2002[1]. Diese Tarifänderung erfolgte vor dem Hintergrund, dass § 1 Abs. 4 AEntG in der bis zum 31.12 2003 geltenden Fassung gegen europäisches Recht verstieß[2].

Eine Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist eine Gruppe von Arbeitnehmern, die koordiniert, dh. geführt und geleitet, arbeitszeitlich überwiegend außerhalb der stationären Betriebsstätte baugewerbliche Arbeiten ausführt[3]. Nicht erforderlich ist eine ständige Zusammenarbeit aller der Gesamtheit angehörenden Arbeitnehmer. Die Gesamtheit kann sowohl vor Ort als auch aus einer Betriebsstätte heraus koordiniert werden. Sie muss baugewerbliche Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte ausführen. Werden auch Arbeiten innerhalb der stationären Betriebsstätte ausgeführt, dürfen diese sowohl quantitativ als auch qualitativ allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein, selbst wenn es sich um Arbeiten im Zusammenhang mit den baugewerblichen Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte handelt.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV verlangt, dass mehrere Arbeitnehmer aufgrund bestimmter übereinstimmender Eigenschaften, Merkmale oder Bedingungen miteinander verbunden sind und für den Arbeitgeber tätig werden. Eine Mindestanzahl ist tarifvertraglich nicht vorausgesetzt, es reichen daher zwei Arbeitnehmer aus.

Die Gesamtheit von Arbeitnehmern muss baugewerbliche Arbeiten ausführen. Da die Gesamtheit nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV als selbständige Betriebsabteilung – und damit als Betrieb – gilt, gelten insoweit dieselben Maßstäbe wie nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV für den Betrieb. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist mithin für eine Gesamtheit von Arbeitnehmern dann eröffnet, wenn sie arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten ausführt, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Erbringt sie baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen[4]. Vor, Neben, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden. Auch der Transport von Baumaterialien zu Baustellen kann als eine für eine sachgerechte Ausführung baulicher Leistungen notwendige Nebenarbeit qualifiziert werden[5]. Erbringt die Gesamtheit von Arbeitnehmern ausschließlich Nebenarbeiten, ohne zugleich baugewerbliche Arbeiten auszuführen, unterfällt sie nicht dem VTV. Führt sie auf einigen Baustellen baugewerbliche Leistungen einschließlich der hierzu erforderlichen Nebenarbeiten wie zB den Transport der einzubauenden Teile aus, während sie ansonsten ausschließlich Nebenarbeiten erbringt, richtet sich die Geltung des VTV danach, ob die baulichen Leistungen nebst hinzuzurechnenden Zusammenhangstätigkeiten die sonstigen, nicht baugewerblichen Leistungen arbeitszeitlich überwiegen[6].

Der Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV steht nicht entgegen, dass die Gesamtheit von Arbeitnehmern baugewerbliche Arbeiten lediglich als zusätzliches Serviceangebot zu einer nicht in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallenden Handelstätigkeit des Arbeitgebers ausführt. Nach dem Wortlaut der Tarifnorm kommt es ausschließlich auf die Ausführung baugewerblicher Arbeiten durch die Gesamtheit von Arbeitnehmern, nicht jedoch auf die weiteren Betriebszwecke an. Dass diese nicht maßgeblich sein können, ergibt sich gleichermaßen aus dem Zweck der Tarifvorschrift. Diese will auch in Betrieben, auf die der VTV keine Anwendung findet, jedenfalls diejenigen Arbeitnehmer dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterstellen, die aufgrund der von ihnen als Gesamtheit ausgeführten baugewerblichen Arbeiten funktional einen Baubetrieb bilden.

Eine Gesamtheit von Arbeitnehmern iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist des Weiteren nur dann gegeben, wenn die ihr angehörenden Arbeitnehmer koordiniert, dh. geführt und geleitet in einer geplanten, arbeitsteiligen und aufeinander abgestimmten Kooperation, zusammenwirken[3]. Allein der Umstand, dass mehrere Arbeitnehmer eines Betriebs baugewerbliche Arbeiten ausführen, genügt hierfür nicht.

Zur Führung einer Gesamtheit von Arbeitnehmern bedarf es auf operativer Ebene zielgerichteter Anweisungen an die ihr angehörenden Beschäftigten im Hinblick auf die von ihnen zu verrichtenden Arbeiten. Dabei müssen die zu der Gesamtheit gehörenden Arbeitnehmer keineswegs ständig zusammenarbeiten, sondern sie können auch in kleinere Einheiten aufgeteilt und an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden. Stets erforderlich ist jedoch, dass alle Arbeitnehmer im Hinblick auf die von ihnen als Gesamtheit zu erfüllenden Aufgaben und entsprechend den an diese gerichteten Vorgaben koordiniert eingesetzt und geleitet werden. Davon ist auch dann auszugehen, wenn die zu erledigenden Arbeiten auf kleinere Einheiten verteilt und von diesen sodann auf verschiedenen Baustellen ausgeführt werden. Die Vertretung von zu der Gesamtheit gehörenden Arbeitnehmern in Zeiten von Urlaub und Krankheit durch andere Arbeitnehmer hat auf die Zugehörigkeit der vertretenen Arbeitnehmer zur Gesamtheit keinen Einfluss, solange die Vertreter nur vorübergehend anstelle des jeweiligen durch Urlaub oder Krankheit verhinderten Mitglieds der Gesamtheit im Rahmen der von dieser zu erfüllenden Aufgaben koordiniert eingesetzt werden.

§ 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV gibt nicht vor, auf welche Weise die Koordination der Gesamtheit von Arbeitnehmern stattzufinden hat. Diese kann daher durch einen ihr angehörenden Arbeitnehmer, zB einen Polier, geführt und geleitet werden. Die Gesamtheit kann auch aus einer stationären Betriebsstätte heraus durch dort ansässige Mitarbeiter geführt und geleitet werden. Denkbar ist, dass die Koordination durch einen nicht der Gesamtheit angehörenden Bauleiter erfolgt, der die Ausführung der Arbeit vor Ort sporadisch überwacht oder kontrolliert und im Übrigen andere Aufgaben wahrnimmt.

Die Gesamtheit von Arbeitnehmern muss nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte ausführen. Maßgeblich ist danach nicht eine äußerlich wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung, sondern die Ausführung baugewerblicher Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte. Ein innerbetrieblicher Arbeitseinsatz der Gesamtheit steht der Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV damit regelmäßig entgegen. Diese Bestimmung verlangt allerdings nicht, dass die baugewerblichen Arbeiten stets außerhalb der stationären Betriebsstätte aufzunehmen sind oder die Arbeitnehmer auswärtig untergebracht sein müssen, wie dies zB bei Montagearbeitern typischerweise der Fall ist. Die tägliche Aufnahme und Beendigung der Arbeit in einer stationären Betriebsstätte hindert die Erfüllung des Tarifmerkmals „außerhalb der stationären Betriebsstätte“ daher grundsätzlich nicht. Erhalten die Arbeitnehmer der Gesamtheit anlässlich ihrer Arbeitsaufnahme in einer stationären Betriebsstätte Weisungen und Pläne für ihre baugewerbliche Arbeit außerhalb der stationären Betriebsstätte und stellen sie in der Betriebsstätte das von ihnen benötigte Material zusammen, um es in einen Transporter zu verladen, den sie nach dem auswärtigen Einsatz wieder in die Betriebsstätte zurückbringen, steht dies einem Tätigwerden außerhalb der Betriebsstätte nicht entgegen, wenn diese innerbetrieblichen Nebenarbeiten im Vergleich zu den Arbeiten außerhalb der stationären Betriebsstätte sowohl quantitativ als auch qualitativ nur von geringfügiger Bedeutung sind.

Arbeiten können auf kleinere Einheiten innerhalb der Gesamtheit verteilt und von diesen sodann auf verschiedenen Baustellen ausgeführt werden. Nach dem Tarifwortlaut und Zweck des § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV kommt es für das Bestehen einer Gesamtheit von Arbeitnehmern allein auf die Ausführung baugewerblicher Arbeiten durch die Gesamtheit und nicht auf die weiteren von der Arbeitgeberin verfolgten Betriebszwecke an.

Der Annahme einer Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV steht daher nicht entgegen, dass die Monteure täglich an der Betriebsstätte ihre Arbeit aufnehmen und zu dieser am Ende des Arbeitstages zurückkehren, um das einzubauende Material für den nächsten Tag zusammenzustellen. Die gegenteilige Ansicht verkennt, dass Nebentätigkeiten innerhalb der stationären Betriebsstätte, die quantitativ und qualitativ nur von geringfügiger Bedeutung sind, die Anwendung dieser Vorschrift nicht ausschließen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2014 – 10 AZR 787/13

  1. AVE vom 30.10.2002, Bekanntmachung im BAnz. Nr. 218 vom 22.11.2002 S. 25297[]
  2. vgl. EuGH 25.10.2001 – C-49/98 ua. – [Finalarte ua.] Slg. 2001, I-7831[]
  3. vgl. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 500/11, Rn. 17[][]
  4. vgl. BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13, Rn. 28[]
  5. BAG 15.01.2014 – 10 AZR 669/13, Rn.19[]
  6. vgl. BAG 20.03.2002 – 10 AZR 507/01, zu II 2 b ee der Gründe[]