Die gelöschten Kundendaten des Vertragshändlers – und der Ausgleichsanspruch

Ein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89b HGB steht dem Vertragshändler nicht zu, wenn der Hersteller oder Lieferant nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen[1].

Die gelöschten Kundendaten des Vertragshändlers – und der Ausgleichsanspruch

Dem Vertragshändler steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann ein Ausgleichsanspruch gegen den Hersteller oder Lieferanten (im Folgenden nur: Hersteller) in entsprechender Anwendung des § 89b HGB zu, wenn zwischen ihm und einem Hersteller ein Rechtsverhältnis besteht, das über eine bloße Verkäufer-Käufer-Beziehung hinausgeht. Der Vertragshändler muss aufgrund besonderer vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert sein, dass er wirtschaftlich in weitem Umfang Aufgaben zu erfüllen hat, die sonst einem Handelsvertreter zukommen. Der Vertragshändler muss ferner verpflichtet sein, dem Hersteller seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstammes erst im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung oder schon während der Vertragszeit durch laufende Unterrichtung des Herstellers über Geschäftsabschlüsse und Kundenbeziehungen zu erfüllen ist. Voraussetzung ist allein, dass der Hersteller bei Beendigung des Vertrags in die Lage versetzt wird, den Kundenstamm des Händlers sofort und ohne weiteres für sich nutzbar zu machen[2].

Die Sicherheitsabtretung der Vertragshändlerin im Rahmen des vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalts erfolgte nicht durch Einzelabtretungserklärungen in Bezug auf die einzelnen Kunden, sondern mittels einer globalen Vorausabtretung der Kaufpreisansprüche aus Neuwagenverkäufen an die Herstellerin, die in Nr. 6.2 Abs. 2 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Herstellerin enthalten war. Bei einer Sicherungsabtretung, bei der dem Zedenten kraft ausdrücklicher Vereinbarung die Einziehungsbefugnis vorbehalten ist, ist § 402 BGB regelmäßig stillschweigend abbedungen, solange die Zession dem Schuldner nicht offen gelegt wird und der Zedent zur Einziehung der Forderung berechtigt ist[3]. Dies ist hier der Fall. Die Vertragshändlerin war von der Herstellerin mit der Einziehung der zur Sicherheit an die Herstellerin abgetretenen Kaufpreisforderungen aus Neuwagenverkäufen beauftragt worden.

Die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller im Sicherungsfall gemäß § 402 BGB die zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Kunden nötige Auskunft zu erteilen, ist einer Verpflichtung des Vertragshändlers zur Überlassung der Kundendaten nicht gleichzustellen. Der Hersteller erhält hierdurch keine umfassende Kenntnis des vom Vertragshändler geworbenen Kundenstamms. Die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Auskunftserteilung nach § 402 BGB besteht zudem nur dann, wenn der Vertragshändler schuldhaft gegen die Pflichten aus der Sicherungsvereinbarung verstößt und damit die Voraussetzungen herbeiführt, unter denen der Hersteller die ihm gestellte Sicherheit verwerten kann. Die nach § 402 BGB vom Vertragshändler hinsichtlich der von dem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten Neuwagenverkäufe dann zu erteilende Auskunft über die Person des jeweiligen Käufers entsteht damit lediglich als mittelbare Folge einer solchen Vertragsverletzung des Vertragshändlers und dient dazu, dem Zessionar nach Eintritt des Sicherungsfalls die Geltendmachung der ihm sicherungshalber abgetretenen Forderungen zu ermöglichen.

Eine analoge Anwendung des § 89b HGB scheidet im vorliegenden Fall jedenfalls deswegen aus, weil die Herstellerin nach der KBP-Vereinbarung bei Beendigung des Vertragshändlervertrags die ihr von der Vertragshändlerin überlassenen Kundendaten nicht ohne weiteres für sich nutzbar machen konnte[4]. Diese Möglichkeit besteht nicht, wenn der Hersteller nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen.

Die Möglichkeit des Herstellers, die vom Händler überlassenen Kundendaten nach Beendigung des Vertrags für sich nutzbar zu machen, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, wenn der von ihm eingesetzte Treuhänder, an den der Vertragshändler die Kundendaten zu überlassen hatte, auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung mit dem Vertragshändler gemäß §§ 11, 28 bzw. 35 BDSG und §§ 667, 675 BGB verpflichtet ist, die Kundendaten des Vertragshändlers nach Beendigung des Teilnahme- und des Vertragshändlervertrages in ihrem Bestand zu löschen[5]. Die für die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Überlassung von Kundendaten an einen Treuhänder entwickelten Anforderungen gelten gleichermaßen für die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller Kundendaten im Rahmen einer Vereinbarung zur Verfügung zu stellen, die zum Zwecke der Kundenbetreuung und Marktforschung abgeschlossen worden ist. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Verpflichtung zur Überlassung von Kundendaten an einen Treuhänder der Verpflichtung zur Überlassung von Kundendaten an den Hersteller gleichzustellen ist, weil dieser über den Treuhänder auf diese Daten zugreifen kann[6].

Der Verpflichtung des Herstellers oder eines von ihm eingesetzten Treuhänders, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu löschen, ist die vom Hersteller übernommene Verpflichtung gleichzustellen, die überlassenen Daten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und sie auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen. Der Hersteller, der sich vertraglich zur Sperrung der ihm überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags verpflichtet und verspricht, diese über den Beendigungszeitpunkt hinaus nicht weiter zu nutzen, wenn der Vertragshändler dem Angebot zur dauerhaften Überlassung der Kundendaten an den Hersteller gegen Zahlung eines Entgelts nicht zustimmt, kann ebenso wie bei Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Löschung der vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten diese Daten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht ohne weiteres für sich nutzbar machen. Darauf, ob der Vertragshändler die Löschung dieser gesperrten Daten verlangt, kommt es nicht entscheidend an. Denn die Verpflichtung des Herstellers, die ihm überlassenen Kundendaten zu sperren und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht weiter zu nutzen, besteht unabhängig davon, ob der Vertragshändler von dem ihm eingeräumten Löschungsanspruch Gebrauch macht oder nicht. Ohne Bedeutung ist des Weiteren, dass der Hersteller nach Beendigung des Vertragshändlervertrags bis zur Löschung der Daten auf die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten faktisch noch zugreifen könnte. Die für den Hersteller bestehende Möglichkeit, die ihm überlassenen Kundendaten unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten weiter zu nutzen, ist der Verpflichtung des Vertragshändlers zur unmittelbaren Bekanntgabe seiner Kundendaten gegenüber dem Hersteller bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht gleichzusetzen[7].

Im Ergebnis fehlt es im vorliegenden Fall damit an einer die analoge Anwendung des § 89b HGB rechtfertigenden Vergleichbarkeit der Interessenlage der Vertragshändlerin mit derjenigen eines Handelsvertreters. Die Herstellerin war nach Abschnitt – I Nr. 6 der KBP-Vereinbarung vorbehaltlich des in Abschnitt – II geregelten Ankaufsrechts verpflichtet, nach Beendigung der Teilnahme der Vertragshändlerin an dem Kundenbetreuungsprogramm die von der Vertragshändlerin überlassenen Daten zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen der Vertragshändlerin zu löschen. Gemäß Abschnitt – I Nr. 5 endete die Teilnahme an dem Kundenbetreuungsprogramm zugleich mit der Beendigung des Vertragshändlervertrags. Die Herstellerin konnte die von der Vertragshändlerin erhaltenen Kundendaten bei Beendigung des Vertragshändlervertrags danach nicht, wie von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefordert, sofort und ohne weiteres für sich nutzbar machen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Informationen, die die Herstellerin möglicherweise unter Verwendung der von der Vertragshändlerin zunächst überlassenen Kundendaten während der Vertragslaufzeit erlangt hat. Auch insoweit läge eine Nutzung der von der Vertragshändlerin überlassenen Daten vor, die nach der Vertragsbestimmung in Abschnitt – I Nr. 6 der KBP-Vereinbarung nach Beendigung des Vertragshändlervertrags nur nach vorheriger Zustimmung durch die Vertragshändlerin zulässig war.

Die Vertragshändlerin kann bei der vorliegenden Vertragsgestaltung vielmehr auf die bei ihr vorhandenen Kundendaten des von ihr geworbenen Kundenstamms zurückgreifen und diese im eigenen Interesse weiter nutzen. Sofern die Kundendaten bei Beendigung des Vertrags bei der Vertragshändlerin infolge der nach der KBP-Vereinbarung bestehenden Verpflichtung zur Übertragung von Kundendaten an die Herstellerin nicht mehr oder nicht vollständig vorhanden sein sollten, wäre die Herstellerin im vorliegenden Fall aufgrund der von ihr übernommenen vertraglichen Verpflichtung, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Daten zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen der Vertragshändlerin zu löschen, verpflichtet, der Vertragshändlerin die ihr überlassenen Kundendaten in diesem Zeitpunkt wieder zur Verfügung zu stellen. Eine solche vertragliche Nebenpflicht ist im vorliegenden Fall deshalb anzunehmen, weil die Vertragshändlerin im Hinblick auf den Datenbestand der von ihr geworbenen Kunden lediglich für den Fall der dauerhaften Überlassung der Kundendaten an die Herstellerin nach der getroffenen Vereinbarung einem vertraglichen Nutzungsverbot unterliegen sollte.

Aus der im Vertragshändlervertrag enthaltenen Angebot der Herstellerin, die vollständigen Kunden- und Interessentendaten bei endgültiger Beendigung der Zusammenarbeit auf Grundlage eines Vertragshändlervertrags gegen Zahlung eines pauschalen Kaufpreises anzukaufen, ergibt sich nichts anderes, da dieses Angebot im vorliegenden Fall nicht angenommen wurde. Es bestand auch keine Verpflichtung, diesem Angebot nach Vertragsbeendigung zuzustimmen. Damit ist auch nach Beendigung des Vertragshändlervertrags keine Verpflichtung der Vertragshändlerin zur Überlassung von Kundendaten an die Herstellerin begründet worden, die eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB im vorliegenden Fall rechtfertigen könnte[8].

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Februar 2015 – VII ZR 315/13

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2010 – VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 17; Urteil vom 13.01.2010 – VIII ZR 25/08, NJW-RR 2010, 1263 Rn. 15; Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160 m.w.N.[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1993 – IX ZR 12/93, NJW 1993, 2795, 2796; Urteil vom 21.01.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101, Rn. 11[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1997 – VIII ZR 283/96, NJW-RR 1998, 390, 391; Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160; Urteil vom 07.11.1991 – I ZR 51/90, NJW-RR 1992, 421, 423; Urteil vom 11.02.1977 – I ZR 185/75, BGHZ 68, 340, 343; Urteil vom 16.02.1961 – VII ZR 239/59, BGHZ 34, 282, 286; Urteil vom 11.12 1958 – II ZR 73/57, BGHZ 29, 83, 89 f.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1997 – VIII ZR 283/96, NJW-RR 1998, 390, 391; Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160 f.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160 f.[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1996 – VIII ZR 5/95, aaO, S. 2161[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 07.11.1991 – I ZR 51/90, NJW-RR 1992, 421, 423[]