Die Öffentlichkeitsarbeit der Sozialkassen

Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit der Sozialkassen (hier: der Urlaubskasse und der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks) folgt auch ohne explizite Regelung aus dem in der jeweiligen Satzung dem Vorstand zugewiesenen Aufgabenbereich der Geschäftsführung.

Die Sozialkassen sind – anders als die Kläger meinen – grundsätzlich berechtigt, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Dabei ist es unschädlich, dass es an einer ausdrücklich normierten Befugnis fehlt. Denn die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit folgt aus dem in der Satzung vorgesehenen Aufgabenbereich des jeweils geschäftsführenden Vorstands. Das ergibt die Auslegung der Satzungen. Danach können die Vorstände aufgrund ihrer Kompetenzen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Geschäftsführung entscheiden, Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen und diese aus den Beiträgen, die an die Sozialkassen abgeführt werden, zu finanzieren.

Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird grundsätzlich durch die Vereinssatzung bestimmt (§ 25 BGB, für die Zusatzversorgungskasse iVm. § 210 Abs. 2 Satz 1 VAG). Dies entspricht der verfassungsrechtlich gewährleisteten Vereinsautonomie. Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit, sich zu Vereinigungen des privaten Rechts zusammenzuschließen. Der Schutz des Grundrechts umfasst sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte[1]. Als ein Regelwerk ist die Satzung objektiv aus sich heraus auszulegen[2].

In der Satzung des Urlaubskasse ist vorgesehen, dass der Vorstand die Geschäfte führt (§ 10 Nr. 4), wobei er vom Aufsichtsrat (§ 8 Nr. 8) und auch von der Mitgliederversammlung als höchstem Organ des Urlaubskasse (§ 7 Buchst. b) überwacht wird. Entsprechendes gilt nach der Satzung des Zusatzversorgungskasse Der Vorstand hat die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen und der Satzung ergebenden Rechte und Pflichten (§ 13 Nr. 1) und führt die Geschäfte (§ 13 Nr. 2). Auch er wird vom Aufsichtsrat überwacht (§ 11). Einschränkungen der Geschäftsführung sehen beide Satzungen nicht vor, sodass der jeweilige Vorstand umfassend mit der Führung der Geschäfte des Vereins betraut ist. Das entspricht der gesetzlichen Konzeption in § 27 Abs. 3 BGB bzw. für den Zusatzversorgungskasse der gesetzlichen Konzeption eines kleineren VVaG (§ 210 Abs. 2 Satz 1 VAG iVm. § 27 BGB).

Geschäftsführung ist jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für den Verein. Hierzu gehört die umfassende Wahrnehmung der vermögensrechtlichen und ideellen Interessen des Vereins, die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen sowie die dem Vorstand durch die Satzung zugewiesenen Aufgaben einschließlich der Willensbildung innerhalb des Gesamtvorstands[3]. Sie umfasst grundsätzlich das gesamte Tätigwerden des Vereins zur Förderung des Vereinszwecks, sowohl in rechtsgeschäftlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht[4]. Die satzungsmäßigen Zwecke einer Körperschaft – wie einem Verein – können unmittelbar oder auch durch mittelbar unterstützende Maßnahmen gefördert werden. Insoweit können Mittel der Körperschaft für Verwaltung, Mitgliederwerbung oder Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden, wenn derartige Ausgaben zur Begründung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit und damit auch zur Verfolgung des satzungsgemäßen Zwecks erforderlich sind[5].

Danach gilt, dass Öffentlichkeitsarbeit der Sozialkassen – orientiert am Zweck der Satzung und des jeweiligen Sozialkassentarifvertrags, zur umfassenden Geschäftsführung des Vorstands gehört. Mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit kann der Satzungszweck der Sozialkassen als Verein bzw. kleinerer VVaG grundsätzlich – mittelbar – gefördert werden, indem über Inhalt und Aufgaben der Kassen informiert wird. Öffentlichkeitsarbeit dient ferner dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Sozialkassen als gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien mit Blick auf die ihnen übertragenen Aufgaben. Denn durch sie können zum einen diejenigen Arbeitgeber aufgeklärt werden, die bislang keine Kenntnis von ihrer Verpflichtung hatten, in die Sozialkassen einzahlen zu müssen. Zum anderen kann mit ihr die Bereitschaft erhöht werden, den durch die Allgemeinverbindlichkeit – bzw. das SokaSiG2 – vermittelten Pflichten nachzukommen, indem Verständnis für das System der „Malerkasse“ gefördert, aber auch über die Rechte der Arbeitgeber informiert wird. Ebenso kann die Information der Arbeitnehmer über ihre Rechte zu Forderungen gegenüber den jeweiligen Arbeitgebern führen und somit dazu, dass diese ihren Beitragspflichten nachkommen. Öffentlichkeitsarbeit kann somit für Transparenz und Akzeptanz des Sozialkassensystems sorgen und dazu beitragen, rechtliche Auseinandersetzungen – wie etwa Beitragsklagen, zu vermeiden. Bei der Beurteilung der zu treffenden Maßnahmen ist dem Vorstand ein Ermessensspielraum einzuräumen[6].

Einer ausdrücklich geregelten Ermächtigung, Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen und diese aus Beitragsmitteln zu finanzieren, bedarf es nicht. Es genügt, wenn die Auslegung der Vereinssatzung – wie vorliegend – als maßgebliche Grundlage für die Verfassung eines Vereins (vgl. § 25 BGB) bestimmte Befugnisse erkennen lässt[7].

Wenn insoweit satzungsgemäße Öffentlichkeitsarbeit erfolgt, kann sie aus den Arbeitgeberbeiträgen finanziert werden. Für den Urlaubskasse ist dies ausdrücklich in § 14 Nr. 2 der Satzung bestimmt. Für den Zusatzversorgungskasse ergibt sich das aus § 6 Nr. 1 Buchst. a der Satzung, wonach die zur Erfüllung des Kassenzwecks benötigten Mittel durch laufende Beiträge der Arbeitgeber aufgebracht werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. März 2024 – 10 AZR 117/23

  1. BVerfG 24.09.2014 – 1 BvR 3017/11, Rn. 13 mwN[]
  2. BAG 19.05.2016 – 3 AZR 766/14, Rn.20; BGH 13.10.2015 – II ZR 23/14, Rn. 24 mwN, BGHZ 207, 144[]
  3. Staudinger/Schwennicke [2023] BGB § 27 Rn. 64; vgl. auch MünchKomm-BGB/Leuschner 9. Aufl. § 27 Rn. 35[]
  4. D.U. Otto in jurisPK-BGB 10. Aufl. Stand 28.02.2024 § 27 Rn. 64[]
  5. vgl. aus steuerrechtlicher Sicht BFH 18.12.2002 – I R 60/01, zu II 2 der Gründe; vgl. zur Beitragsverwendung ausschließlich zum Betrieb der gemeinsamen Einrichtung und zur Finanzierung der tarifvertraglich vorgesehenen Leistungen sowie zur Zulässigkeit der Beitragsverwendung für „außenwirksame Aktionen“ Kolbe/Rieble ZFA 2015, 125, 129 ff.[]
  6. vgl. zum weiten Handlungsspielraum des Vorstands einer AG bei Leitung der Geschäfte BGH 21.04.1997 – II ZR 175/95, zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 135, 244[]
  7. vgl. selbst für Informationshandeln von Regierung und Verwaltung, für die in der Aufgabenzuweisung grundsätzlich eine Ermächtigung zum Informationshandeln gegeben ist, BVerfG 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 ua., zu C I 2 e aa (1) der Gründe, BVerfGE 105, 252[]