Der tarifliche Zinssatz auf ausstehende Sozialkassenbeiträge in der Bauwirtschaft in Höhe von 1 % der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzugs ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Er verstößt weder gegen Grundrechte noch gegen § 138 BGB. Der Gesetzgeber ist gehalten und befugt, das System der Tarifautonomie auszugestalten. Er kann Rechtsformen schaffen und ändern, durch die die Geltung von Tarifverträgen auf Außenseiter erstreckt wird.
Die Voraussetzungen für die Zahlung von Verzugszinsen nach § 20 Abs. 1 VTV 2014 sind erfüllt. Danach hat die Einzugsstelle Anspruch auf Verzugszinsen iHv. 1 % der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat, in dem sich der Arbeitgeber mit der Zahlung des Sozialkassenbeitrags oder des Beitrags für Angestellte in Verzug befindet.
Die Sozialkasse ist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VTV 2014 Einzugsstelle für die Beitragsforderungen.
Ob sich der Bauunternehmer mit der Zahlung der Beiträge nach Eintritt der Fälligkeit in Verzug befand, ist am Maßstab von § 286 BGB zu beurteilen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Verzugs als Fachbegriff in seiner in fachlichen Kreisen bestimmten Bedeutung verwenden wollten[1].
Der Verzug des Bauunternehmers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der AVE VTV 2015 Rückwirkung zukommt und die Beitragsansprüche in den Rückwirkungszeitraum fallen. Die zu § 184 BGB entwickelten Grundsätze, wonach im Rückwirkungszeitraum kein Verzug entstehen könne, sind auf die AVE VTV 2015 nicht übertragbar.
In der Rechtsprechung und in der Literatur wird angenommen, dass der Schuldner im Fall einer nach § 184 Abs. 1 BGB rückwirkenden Genehmigung in der Zeit bis zum Zugang der Genehmigungserklärung nicht in Verzug komme. Da in der Schwebezeit kein klagbarer Anspruch bestanden habe, könne der Schuldner nur „ex nunc“, dh. frühestens ab dem Zeitpunkt der Genehmigung, in Verzug geraten[2].
Diese Erwägungen sind aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht auf die AVE VTV 2015 übertragbar.
Die Vorschrift des § 184 BGB betrifft die nachträgliche Zustimmung zu einem zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft ist bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam. Die am Rechtsgeschäft Beteiligten dürfen im Fall der Zustimmungsbedürftigkeit nicht davon ausgehen, dass das Rechtsgeschäft wirksam werden wird.
Demgegenüber handelt es sich bei der AVE VTV 2015 um einen staatlichen Rechtsakt. Sie hat die Geltung des VTV 2014 mit Wirkung zum 1.01.2015 angeordnet. Damit kommt dieser Geltungsanordnung zwar ebenfalls Rückwirkung zu. Im Unterschied zu einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft war mit der Rückbeziehung der Allgemeinverbindlicherklärung zu rechnen. Betroffene müssen jedenfalls dann mit der rückwirkenden Geltungsanordnung rechnen, wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, der einen geltenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erneuert oder ändert. Bei dieser Sachlage müssen die Tarifgebundenen nicht nur mit einer Allgemeinverbindlicherklärung des Folgetarifvertrags, sondern auch mit der Rückbeziehung der Allgemeinverbindlicherklärung auf den Zeitpunkt seines Inkrafttretens rechnen[3]. Dies gilt umso mehr, wenn der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung in Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Tarifvertragsgesetzes (DVO TVG) bekannt gemacht und auf die mögliche Rückwirkung hingewiesen wurde.
Für die AVE VTV 2015 sind diese Voraussetzungen erfüllt. Der VTV 2014 erneuert den VTV vom 03.05.2013 in der Fassung vom 03.12 2013. Der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung wurde am 22.12 2014 im Bundesanzeiger mit dem Hinweis auf die mögliche Rückwirkung der Allgemeinverbindlicherklärung bekannt gemacht[4].
Der Bauunternehmer befindet sich jeweils nach dem 20. eines Monats mit den Beiträgen für den Vormonat in Verzug. Die Beiträge wurden nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2014 jeweils am 20. des Folgemonats fällig. Damit ist der Termin für die Leistung kalendermäßig bestimmt. Eine Mahnung war nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Verzug trat jeweils ab dem Folgetag der Fälligkeit ein[5].
Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Zu vertreten hat der Schuldner nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Der Gesetzgeber hat das fehlende Verschulden als Einwand ausgestaltet, für den der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig ist. Er ist gehalten, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die geschuldete Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt unterblieben ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft[6].
Ein Verschulden ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Bauunternehmer davon ausgehen durfte, nicht zur Leistung von Beiträgen verpflichtet zu sein. Er kann sich insbesondere nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Die strengen Anforderungen sind in Bezug auf die AVE VTV 2015 nicht erfüllt[7]. Der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung wurde am 22.12 2014 bekannt gemacht. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis auf eine mögliche Rückwirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 DVO TVG. Die Verfahrenstarifverträge waren in der Vergangenheit lückenlos für allgemeinverbindlich erklärt worden. Der Bauunternehmer durfte im Verzugszeitraum deshalb nicht davon ausgehen, nicht der Beitragspflicht zu der Sozialkassen der Bauwirtschaft zu unterliegen.
Der Zinssatz von 1 % für jeden angefangenen Monat ist aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts mit höherrangigem Recht vereinbar.
Den Tarifvertragsparteien ist es nicht verwehrt, für den Fall des Verzugs mit tariflichen Leistungen einen höheren als den gesetzlichen Zinssatz zu vereinbaren. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sind insoweit dispositiv[8]. § 288 Abs. 6 BGB beschränkt die Vertragsfreiheit der Parteien im Hinblick auf die Möglichkeiten, die Ansprüche auf Verzugszinsen, auf die Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB und den Ersatz von Beitreibungskosten ganz oder teilweise abzubedingen. Es bleibt ihnen jedoch unbenommen, strengere Regelungen zu treffen. Auch die der Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2011/7/EU lässt eine Verschärfung zulasten des Schuldners zu. Nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU können die Mitgliedstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen, die für den Gläubiger günstiger sind als die zur Erfüllung der Richtlinie notwendigen Maßnahmen.
Der Zinssatz von 1 % für jeden angefangenen Monat kollidiert nicht mit dem Grundgesetz, insbesondere nicht mit Grundrechten.
Das Bundesarbeitsgericht kann offenlassen, ob nur die AVE VTV 2015 oder auch die Tarifnorm des § 20 Abs. 1 VTV 2014 am Maßstab der Grundrechte zu prüfen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Daher besteht nur eine zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte[9]. Diese Rechtsprechung ist im Streitfall nicht maßgeblich, weil es sich um einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag handelt.
Im Zusammenhang mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen gilt ein strengerer Prüfungsmaßstab. Hier hat eine Prüfung unmittelbar am Maßstab der Grundrechte zu erfolgen. Da eine Allgemeinverbindlicherklärung einen staatlichen Rechtsakt darstellt, ist der Staat dabei nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Umstritten ist, ob sich die Bindung nur auf die Allgemeinverbindlicherklärung selbst beschränkt oder sie auch die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge erfasst.
Das Bundesverfassungsgericht ist davon ausgegangen, dass die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifnormen der Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG unterliegen. Bei der Normsetzung durch die Tarifvertragsparteien handle es sich um Gesetzgebung im materiellen Sinn. Nach der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags kämen dessen Rechtsnormen auch für die nicht organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, soweit sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fielen, zur Geltung[10].
Teile der Literatur gehen deshalb davon aus, dass Prüfungsgegenstand auch die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge seien[11].
Andere Teile des Schrifttums befürworten, dass lediglich die Allgemeinverbindlicherklärung der unmittelbaren Grundrechtsbindung unterfalle, weil es sich nur insoweit um einen staatlichen Rechtsetzungsakt handle[12]. Der Tarifvertrag selbst unterliege nur der Kontrolle, der er auch ohne Allgemeinverbindlicherklärung unterfalle[13].
Eine Entscheidung ist entbehrlich. § 20 Abs. 1 VTV 2014 verstößt selbst dann nicht gegen die Verfassung, wenn er unmittelbar am Maßstab der Grundrechte zu prüfen ist.
Die Regelung in § 20 Abs. 1 VTV 2014 ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleichzubehandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen müssen jedoch stets durch Sachgründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind[14]. Eine Norm verletzt danach den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn durch sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können[15].
Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt nicht darin, dass zwar Arbeitgeber im Fall verspäteter Beitragszahlungen zusätzlich Zinsen zahlen müssen, nicht aber die Sozialkassen auf bestehende Erstattungsansprüche. Die unterschiedliche Behandlung ist jedenfalls durch sachliche Gründe, die unter Berücksichtigung des mit der Verzinsung verfolgten Zwecks zu bestimmen sind, gerechtfertigt.
Mit der Regelung, dass Arbeitgeber im Verzugsfall zusätzlich Zinsen entrichten müssen, soll vorrangig der Druck auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber erhöht werden, ihrer Meldepflicht rechtzeitig und vollständig nachzukommen sowie die geschuldeten Beiträge termingerecht zu leisten. Einem ähnlichen Druck müssen die Sozialkassen nicht ausgesetzt werden. Die durch die Konzeption der Verfahrenstarifverträge zum Ausdruck kommende Annahme, dass die Sozialkassen ihre tarifvertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen, ist von dem den Tarifvertragsparteien eingeräumten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum gedeckt.
Der weitere in der Zinspflicht liegende Zweck – Wettbewerbsvorteile zu vermeiden und ggf. eingetretene Wettbewerbsvorteile auszugleichen – kommt mit Blick auf Erstattungsleistungen die Sozialkassen nicht zum Tragen. Arbeitgeber, die geschuldete Beiträge erst verspätet leisten, sind gegenüber Mitbewerbern am Markt, die sich tariftreu verhalten, im Vorteil, weil sie die freien finanziellen Mittel anderweitig einsetzen oder Aufträge im Vergleich zu Mitbewerbern günstiger anbieten können. Eine vergleichbare Situation besteht bei der jeweils zuständiger Sozialkasse nicht. Es gibt keinen Wettbewerb zwischer Sozialkassen.
§ 20 Abs. 1 VTV 2014 verstößt nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil Arbeitgeber für jeden angefangenen Monat Zinsen entrichten müssen. Die mit der Beitragszahlung säumigen Arbeitgeber werden gleichbehandelt, ohne dass berücksichtigt wird, wie lange die Phase der Säumnis innerhalb eines Monats andauert. Diese Gleichbehandlung ist als pauschalierende Betrachtung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Für eine gesetzliche Bestimmung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten nur verpflichtet ist, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Allerdings setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Bei der Frage, unter welchen Schwierigkeiten diese Härten vermeidbar wären, sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht[16]. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden[17]. Der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen ist desto enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind. Er endet dort, wo die speziellen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG betroffen sind[18]. Auch die Tarifvertragsparteien dürfen generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und typisieren[19].
Gemessen daran ist die tatsächliche Ungleichheit, die durch die monatsweise Staffelung des Zinszeitraums entsteht, nicht so groß, dass sie dem Gerechtigkeitsdenken widerspricht. Es handelt sich um einen überschaubaren Zeitraum von nur 30 Tagen, der eine Zusammenfassung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben sich an gesetzlichen Bestimmungen orientiert. Bei den sozialversicherungsrechtlichen und den steuerrechtlichen Säumniszuschlägen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, § 240 Abs. 1 Satz 1 AO) hat der Gesetzgeber ebenso wie im Recht der Kraftfahrzeugsteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 2002) eine Staffelung nach Monaten vorgenommen. Die Pauschalierung knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an personenbezogene Merkmale an, so dass ein Konflikt mit Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG ausgeschlossen ist.
Der Zinssatz verstößt weder isoliert noch unter Berücksichtigung, dass Zinsen pro angefangenem Monat geschuldet werden, gegen das Übermaßverbot aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG.
Ist die den Verfahrenstarifverträgen entstammende Pflicht, im Verzugsfall Zinsen auf geschuldete Beiträge zu entrichten, wie im Steuerrecht am Maßstab des in Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG verankerten Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen, wird die Zinsregelung in § 20 Abs. 1 VTV 2014 dieser Voraussetzung gerecht[20].
Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit der Pflicht, im Verzugsfall Zinsen zu zahlen, legitime Zwecke. Es geht darum, Druck auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber aufzubauen, um zu forcieren, dass die geschuldeten Beiträge rechtzeitig geleistet werden. Daneben schafft die Zinspflicht Bedingungen für einen fairen Wettbewerb, indem Wettbewerbsverzerrungen vermieden und finanzielle Vorteile, die aus der verspäteten Leistung von Beiträgen folgen, abgeschöpft werden. Mit der Zinspflicht soll zudem der Schaden pauschal ausgeglichen werden, der dadurch entstanden ist, dass die Beiträge die Sozialkasse nicht rechtzeitig zur Verfügung standen und die Sozialkasse daher nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage war, ihren tarifvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und ihren Verwaltungsaufwand zu bestreiten. Auf diese Weise wird zugleich sichergestellt, dass die tariftreuen Arbeitgeber nicht an den Verwaltungsmehrkosten beteiligt werden, die durch die verspätete Zahlung der Beiträge verursacht werden.
Die Verpflichtung, Zinsen von 1 % für jeden angefangenen Monat des Verzugs zu entrichten, ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Verfassungsrechtlich muss es nur möglich sein, dass der erstrebte Erfolg gefördert wird. Es genügt, dass es möglich ist, den Zweck zu erreichen. Die Regelungen dürfen lediglich nicht von vornherein untauglich sein.
Dem Gesetzgeber billigt das Bundesverfassungsgericht einen Einschätzungsspielraum für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer Regelung zu. Die Grenze liegt dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat[21].
Wie auch dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zusteht, verfügen die Tarifvertragsparteien aufgrund von Art. 9 Abs. 3 GG über eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen[22].
Anhaltspunkte, dass die Tarifvertragsparteien den ihnen eingeräumten Beurteilungs- und Prognosespielraum überschritten hätten, sind nicht gegeben.
Bedenken gegen die Erforderlichkeit der Zinsregelung greifen im Ergebnis nicht durch.
Eine Regelung ist erforderlich, wenn jedenfalls kein eindeutig sachlich gleichwertiges, also zweifelsfrei gleich wirksames, die Grundrechtsberechtigten aber weniger beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung steht, um den mit dem Gesetz verfolgten Zweck zu erreichen. Wie bei einem Gesetz ist nicht zu prüfen, ob es bessere Lösungen für die hinter einer Regelung stehenden Probleme gibt[23]. Aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie verfügen die Tarifvertragsparteien auch insoweit über einen Gestaltungsspielraum[24].
Gemessen daran ist der Zinssatz von 1 % pro angefangenem Monat erforderlich. Er hält sich im Rahmen des den Tarifvertragsparteien eröffneten Gestaltungsspielraums. Es ist nicht ersichtlich, dass ein geringerer Zinssatz zweifelsfrei gleich wirksam wäre.
Aus der drohenden Pflicht, im Verzugsfall Zinsen zahlen zu müssen, muss ein so großer Druck auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber erwachsen, dass sie Alternativen zur Finanzierung der Beiträge oder anderweitiger Investitionen in Anspruch nehmen und nicht auf die verspätete Beitragszahlung als Liquiditätsvorteil ausweichen. Nicht ausreichend ist daher ein Verzugszinssatz, der niedriger ist als ein entsprechender Zinssatz bei einem Bankdarlehen. Mit dem tariflichen Zinssatz von 12 % haben die Tarifvertragsparteien einen Wert festgelegt, der sich jedenfalls innerhalb des Rahmens der Darlehenszinsen in Deutschland hält. Diese bewegten sich im Jahr 2013 zwischen 0, 15 % und 14, 70 %[25]. Der Erforderlichkeit steht nicht entgegen, dass der gewählte Zinssatz über den Zinssätzen für Darlehen im unternehmerischen Bereich liegt. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass die subjektiven Entscheidungen der Arbeitgeber zu wesentlich höheren Renditen führen können. Die mit den Zinsen abzuschöpfenden Liquiditätsvorteile bestehen nicht allein darin, bei Anlagen Zinsen zu erzielen oder im Fall eines nicht erforderlichen Darlehens Zinsen zu sparen, sondern auch darin, die nicht für die Beitragszahlung aufgewendeten Mittel für Investitionen einzusetzen, die deutlich höhere Renditen erbringen[26].
Mit der Verpflichtung, im Verzugsfall Zinsen zu entrichten, soll zudem die Funktionsfähigkeit und finanzielle Stabilität die Sozialkassen sichergestellt werden[27]. Das System die Sozialkassen ist wie das der Sozialversicherung als Solidargemeinschaft auf den ordnungsgemäßen Beitragseinzug angewiesen. Dieses Erfordernis rechtfertigt, dass die Tarifvertragsparteien die Verzugszinsen ebenso hoch festgelegt haben wie der Gesetzgeber den Säumniszuschlag im Recht der Sozialversicherung. Die privatrechtliche Ausgestaltung des Systems die Sozialkassen steht dem nicht entgegen. Das Erfordernis der rechtzeitigen Beitragszahlung ist deshalb nicht anders zu beurteilen.
Es ist nicht sichergestellt, dass mit einem niedrigeren Zinssatz der weitere Zweck der Verzugszinsen erreicht werden kann, den durch die verspätete Beitragszahlung verursachten Verwaltungsmehraufwand auszugleichen. Der den Tarifvertragsparteien eröffnete Gestaltungsspielraum trägt die Annahme, dass der gewählte Zinssatz es ermöglicht, die infolge der verspäteten Beitragszahlung angefallenen Mehrkosten nicht auf die rechtzeitig leistenden Arbeitgeber umlegen zu müssen.
§ 20 Abs. 1 VTV 2014 ist erforderlich, obwohl die Anknüpfung der Zinspflicht an den jeweils angefangenen Monat im Einzelfall – hochgerechnet, zu einem deutlich höheren Zinssatz führt. Der Bundesgerichtshof ist in Banksachen beispielsweise davon ausgegangen, dass pauschale Kosten im Fall einer geduldeten Überziehung Zinsen mit einem fünfstelligen Zinssatz gleichkämen. Die als Allgemeine Geschäftsbedingung eingeordnete Regelung wurde für unwirksam erklärt, weil sie die Bankkunden nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteilige[28]. Diese Erwägungen sind auf den tariflichen Verzugszins nicht übertragbar. Während es bei den Vorschriften des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen um den Ausgleich eines strukturellen Ungleichgewichts der Verhandlungspartner geht, wird bei Tarifverträgen die bei Individualverträgen typischerweise zu verneinende Verhandlungsparität aus verfassungsrechtlichen Gründen vorausgesetzt[29]. Mit § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach Tarifverträge von der Prüfung am Maßstab des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgenommen sind, kommt diese Erwägung zum Ausdruck[30]. Dies gilt auch für Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien. Auch insoweit können sich die vertragsschließenden Verbände auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie berufen, die eine zurückgenommene Kontrolldichte gebietet[31]. Zudem sind die Tarifvertragsparteien befugt, bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen und zu typisieren[19]. Mit dieser Befugnis ist das Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung, das das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kennt, nicht vereinbar[32].
Schließlich sind die mit § 20 VTV 2014 verbundenen Belastungen zumutbar. Zinsen sind nur im Verzugsfall zu entrichten. Damit können beitragspflichtige Arbeitgeber durch ihr eigenes Verhalten beeinflussen, ob es zu einer Zinszahlungspflicht kommt. Zudem ist die Pflicht, Zinsen entrichten zu müssen, wegen § 286 Abs. 4 BGB verschuldensabhängig ausgestaltet. Bei fehlendem Verschulden sind keine Zinsen geschuldet. Damit sind die Beeinträchtigungen der Interessen der Arbeitgeber trotz des nicht unerheblichen Zinssatzes zumutbar. Die Arbeitgeber können es selbst beeinflussen, die Verzinsung zu vermeiden. Gegenüber den gewichtigen Belangen, die mit der Zinszahlungspflicht verfolgt werden, muss das Interesse, von Verzugszinsen verschont zu bleiben, zurücktreten.
Der Zinssatz nach § 20 Abs. 1 VTV 2014 ist auch mit einfachem Gesetzesrecht vereinbar. Insbesondere verstößt die Tarifnorm nicht gegen § 138 BGB.
Dies wäre der Fall, wenn ein auffälliges, dh. grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bestünde und entweder die in § 138 Abs. 2 BGB angeführten besonderen Umstände hinzuträten oder ein subjektives Moment, zB eine verwerfliche Gesinnung, vorläge[33].
Die vom Bundesgerichtshof zu Darlehenszinsen ergangene Rechtsprechung, wonach ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100 % oder absolut um zwölf Prozentpunkte überschreitet, kann nicht übertragen werden[34]. Tarifverträge genießen im Unterschied zu Individualverträgen ein größeres „Richtigkeitsvertrauen“. Sie bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln[35]. Im Unterschied zu einem Darlehensvertrag geht es nicht um die Frage, ob sich der Kreditnehmer auf die erhöhten Zinsen einlassen muss, sondern um die Frage, ob das Risiko einer verspäteten Beitragszahlung angemessen zwischen Arbeitgeber und Sozialkasse verteilt ist[36]. Mit Blick darauf, dass sich die tarifliche Regelung der Verzinsung als verhältnismäßig, insbesondere als zumutbar erweist, ist von einer angemessenen Risikoverteilung in diesem Sinn auszugehen.
Der Bauunternehmer hat die im Einzelnen ermittelten Zinsbeträge nicht angegriffen. Sie sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für den am 21.02.2015 beginnenden Zeitraum von einem Monat stehen dem Sozialkasse Zinsen iHv. 4, 00 Euro, für den Monatszeitraum ab 21.03.2015 weitere 7, 64 Euro, für den Monatszeitraum ab 21.04.2015 weitere 11, 64 Euro, für den Monatszeitraum ab 21.05.2015 weitere 15, 64 Euro und für den Monatszeitraum ab 23.06.2015 weitere 19, 46 Euro zu.
Daneben ist der Bauunternehmer auch auf Grundlage von § 7 Abs. 2 iVm. Anlage 27 SokaSiG an den VTV 2014 gebunden.
Nach § 7 Abs. 2 SokaSiG gelten die Rechtsnormen des VTV 2014 für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 01.01.bis zum 31.12 2015. Die Anlage 27 enthält den vollständigen Text des Verfahrenstarifvertrags in der im Streitzeitraum geltenden Fassung[37]. Gegen die gesetzliche Geltungserstreckung auf den nicht tarifgebundenen Bauunternehmer bestehen aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken[38].
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Verzugszinsen nach § 20 Abs. 1 VTV 2014 sind erfüllt.
Der Verzug des Bauunternehmers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil dem SokaSiG Rückwirkung zukommt. Das Bundesarbeitsgericht teilt die in der Literatur vertretene Auffassung nicht, die die zu § 184 BGB entwickelten Grundsätze heranzieht und annimmt, im Rückwirkungszeitraum habe kein Verzug entstehen können[39]. Die Erwägungen der Rechtsprechung und der Literatur zu § 184 BGB sind auch auf das SokaSiG nicht übertragbar. Die Vorschrift des § 184 BGB betrifft die nachträgliche Zustimmung zu einem zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft, das bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam ist. Demgegenüber handelt es sich beim SokaSiG um ein Gesetz, das an die Stelle einer unwirksamen bzw. neben eine wirksame Allgemeinverbindlicherklärung tritt und die Geltung der bezeichneten Tarifverträge anordnet. Im Unterschied zu einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft kommt einer Allgemeinverbindlicherklärung als staatlichem Rechtsakt der erste Anschein der Rechtmäßigkeit zugute. Bestand zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung kein Streit und waren auch von Amts wegen keine ernsthaften Zweifel gerechtfertigt, war ihre gerichtliche Überprüfung entbehrlich. Diese Erwägung kommt in der Konzeption des Gesetzgebers zum Ausdruck. Aus § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ergibt sich, dass ein Rechtsstreit fortgesetzt wird, wenn keine erheblichen Zweifel beim Gericht bestehen. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist in diesem Fall als wirksam zu werten[40].
Der Bauunternehmer unterließ schuldhaft, die geschuldeten Beiträge zu leisten.
Die Voraussetzungen nach § 286 Abs. 4 BGB, wonach der Schuldner nicht in Verzug kommt, solange die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat, sind nicht erfüllt.
Ein Verschulden ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Bauunternehmer davon ausgehen durfte, nicht zur Leistung von Beiträgen verpflichtet zu sein. Es handelt sich nicht um den Fall eines unverschuldeten Rechtsirrtums, der zum Ausschluss des Verschuldens führte. Die strengen Voraussetzungen hierfür erfüllt der Bauunternehmer nicht[7]. Er konnte und durfte im Verzugszeitraum nicht davon ausgehen, nicht der Beitragspflicht zu der Sozialkassen der Bauwirtschaft zu unterliegen. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2016[41] entsprach es der weit überwiegenden Rechtsansicht, dass die Verfahrenstarifverträge wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Der erste Anschein sprach für die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen. Erstmals mit Urteil vom 02.07.2014 hatte das Hessische Landesarbeitsgericht die Rechtmäßigkeitsvermutung für erschüttert gehalten. Es hatte inzidenter die Wirksamkeit der maßgeblichen Allgemeinverbindlicherklärungen geprüft und bejaht[42]. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil bestätigt[43].
Gegen die Geltungserstreckung des VTV 2014 auf den nicht tarifgebundenen Bauunternehmer durch § 7 Abs. 2 iVm. Anlage 27 SokaSiG bestehen aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken[44].
§ 7 SokaSiG ist mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar[45].
Die Tarifautonomie wird entgegen der Auffassung des Bauunternehmers nicht dadurch verletzt, dass mit dem SokaSiG eine weitere Grundlage zur Erstreckung der Verfahrenstarifverträge auf Außenseiter geschaffen wurde. Der Gesetzgeber darf aus formellen Gründen nichtige Allgemeinverbindlicherklärungen durch eine gesetzliche Regelung ersetzen. Er kann sich dabei insbesondere für eine andere Rechtsform als die in § 5 TVG geregelte Allgemeinverbindlicherklärung entscheiden[46]. Er ist dazu befugt, die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie durch gesetzliche Regelungen herzustellen und zu sichern. Er kann und muss ggf. auch bereits bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen für das Handeln der Koalitionen ändern oder ergänzen, um dem Handeln der Koalitionen und insbesondere der Tarifautonomie Geltung zu verschaffen[47].
Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie ist jedenfalls gerechtfertigt. Das Gesetz verfolgt einen legitimen Zweck. Es dient dazu, den Fortbestand die Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie zu sichern, indem es die Anwendung der seit dem 1.01.2006 geltenden Verfahrenstarifverträge auf Nichtverbandsmitglieder ausdehnt. Darüber hinaus schafft es Bedingungen für einen fairen Wettbewerb. Das Gesetz ist geeignet, weil es jedenfalls förderlich ist, diese Ziele zu erreichen. Es ist ferner erforderlich. Die vom Gesetzgeber angestellten Erwägungen sind von seinem Einschätzungsspielraum gedeckt. Schließlich sind die mit § 7 SokaSiG verbundenen Belastungen zumutbar. Die bezweckte Sicherung die Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sowie die Herstellung von Bedingungen für einen fairen Wettbewerb stehen im allgemeinen Interesse und stellen einen gewichtigen Belang im Rahmen der durchzuführenden Abwägung dar. Demgegenüber wird die Tarifautonomie der vom SokaSiG erfassten Arbeitgeber und Verbände nur mit geringer Intensität beeinträchtigt[48].
§ 7 SokaSiG verstößt aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass die aufgrund des SokaSiG bestehenden Pflichten, Beiträge und ggf. Verzugszinsen zu entrichten, den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unberührt lassen und etwaige Eingriffe jedenfalls gerechtfertigt wären[49]. Dies gilt nicht nur für den Zinssatz in gesetzlicher Höhe, sondern auch für den Zinssatz von 1 % für jeden angefangenen Monat. Die vom Bundesarbeitsgericht angestellten Erwägungen gelten in entsprechender Weise für den höheren Zinssatz.
§ 7 SokaSiG „kassiert“ nicht unter Verstoß gegen Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte – letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit – statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt werden. Das hält das Bundesarbeitsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich[50].
§ 7 SokaSiG verletzt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden[51]. Der gegenteiligen Auffassung des Bauunternehmers stimmt das Bundesarbeitsgericht nicht zu.
Der Bauunternehmer musste wie alle Betroffenen mit der nachträglichen – gesetzlichen – Bestätigung der Beitragspflicht aufgrund der Verfahrenstarifverträge rechnen. Ob der Sachverhalt einer der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen zugeordnet werden kann, ist nicht von Belang. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, kommt es allein darauf an, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen[52].
Bis zum 20.09.2016 bestand keine Grundlage für ein Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV in der Fassung der Anlage 27 des SokaSiG, auf die Absatz 2 des § 7 SokaSiG verweist[53]. Über die Wirksamkeit der AVE VTV 2015 war bei Inkrafttreten des SokaSiG noch nicht rechtskräftig entschieden. Schon deshalb konnte kein zu schützendes Vertrauen der tariffreien Arbeitgeber darauf entstanden sein, nicht von der Rechtsnormerstreckung erfasst zu werden. Die von dem Bauunternehmer und anderen in Anspruch genommenen Arbeitgebern gehegten Zweifel waren keine geeignete Grundlage für die Bildung von Vertrauen dahin, dass auf der Annahme der fehlenden Normwirkung der Verfahrenstarifverträge beruhenden Dispositionen nicht nachträglich die Grundlage entzogen werden würde[54].
Der Bauunternehmer beruft sich vergeblich darauf, die „Ersetzung“ der unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärung durch eine gesetzliche Regelung sei nicht vorhersehbar gewesen. Dem Gesetzgeber steht die Wahl einer anderen Rechtsform als der in § 5 TVG geregelten Allgemeinverbindlicherklärung für die Erstreckung eines Tarifvertrags auf Außenseiter frei. Die Rechtsform ändert nichts an Inhalt und Ergebnis der Erwägungen zu der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen[55]. Dass die Rechtsformen mit unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten verbunden sind, führt zu keiner anderen Bewertung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. August 2019 – 10 AZR 549/18
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 52[↩]
- OLG Rostock 11.05.1995 – 1 U 350/94, zu A e der Gründe; OLG Karlsruhe 15.05.1985 – 13 U 193/83, zu II 1 der Gründe; BeckOK BGB/Bub Stand 1.08.2019 § 184 Rn. 9; BeckOGK/Regenfus Stand 1.07.2019 BGB § 184 Rn. 66; Palandt/Ellenberger 78. Aufl. § 184 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Bayreuther 8. Aufl. § 184 Rn. 13; Erman/Maier-Reimer BGB 15. Aufl. § 184 Rn. 15; Trautwein in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger jurisPK-BGB 8. Aufl. § 184 Rn. 24; Staudinger/Gursky [2014] § 184 Rn. 38[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG 13.11.2013 – 10 AZR 1058/12, Rn.19; 20.03.2013 – 10 AZR 744/11, Rn.20; 21.08.2007 – 3 AZR 102/06, Rn. 27, BAGE 124, 1[↩]
- BAnz. AT 22.12 2014 B4[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 58; 23.09.2015 – 5 AZR 767/13, Rn. 38, BAGE 152, 315[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 61; 26.01.2011 – 4 AZR 167/09, Rn. 49; 28.10.2008 – 3 AZR 171/07, Rn. 31[↩]
- vgl. dazu BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 63 mwN[↩][↩]
- Hessisches LAG 18.08.2017 – 10 Sa 211/17, zu B IV 1 der Gründe; MünchKomm-BGB/Ernst 8. Aufl. § 288 Rn. 40[↩]
- BAG 27.06.2018 – 10 AZR 290/17, Rn. 33 ff., BAGE 163, 144; 26.04.2017 – 10 AZR 856/15, Rn. 29[↩]
- BVerfG 15.07.1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79, zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 55, 7; vgl. auch BAG 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 67, BAGE 164, 201; 22.09.1993 – 10 AZR 371/92, zu II 4 der Gründe, BAGE 74, 226[↩]
- Dreier/Dreier GG 3. Aufl. Art. 1 Abs. 3 Rn. 41; MAH ArbR/Hamacher/van Laak 4. Aufl. § 70 Rn. 23; MHdB ArbR/Klumpp 4. Aufl. § 226 Rn. 12; Däubler/Lakies TVG 4. Aufl. § 5 Rn. 52; wohl auch Maunz/Dürig/Herdegen GG Stand März 2019 Art. 1 Abs. 3 Rn. 114, der als Prüfungsgegenstand die durch die Erklärung bewirkte Erstreckung ansieht[↩]
- Dieterich FS Schaub 1998 S. 117, 132; Sachs/Höfling GG 8. Aufl. Art. 1 Rn. 100; Wiedemann/Jacobs TVG 8. Aufl. Einleitung Rn. 383; Jarass/Pieroth/Jarass GG 14. Aufl. Art. 1 Rn. 51; ErfK/Schmidt 19. Aufl. Einleitung GG Rn. 23; von Mangoldt/Klein/Starck/Starck GG 7. Aufl. Art. 1 Abs. 3 Rn. 255[↩]
- Schliemann FS Wiedemann 2002 S. 543, 549[↩]
- BVerfG 18.07.2018 – 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17, Rn. 64, BVerfGE 149, 222[↩]
- BVerfG 7.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Rn. 76 mwN, BVerfGE 133, 377[↩]
- BVerfG 26.03.2019 – 1 BvR 673/17, Rn. 114 ff.; 27.06.2018 – 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15, Rn. 15[↩]
- vgl. BVerfG 29.03.2017 – 2 BvL 6/11, Rn. 107, BVerfGE 145, 106[↩]
- BVerfG 7.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, Rn. 88, BVerfGE 133, 377[↩]
- BAG 23.03.2011 – 10 AZR 701/09, Rn. 22 mwN[↩][↩]
- vgl. für das Steuerrecht BVerfG 3.09.2009 – 1 BvR 2539/07, Rn. 27 mwN[↩]
- BVerfG 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, Rn. 159 mwN, BVerfGE 146, 71; BAG 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 38[↩]
- BAG 27.06.2018 – 10 AZR 290/17, Rn. 36, BAGE 163, 144; 21.03.2018 – 10 AZR 34/17, Rn. 43, BAGE 162, 230[↩]
- vgl. BVerfG 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, Rn. 162, BVerfGE 146, 71; BAG 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 40; 27.03.2019 – 10 AZR 318/17, Rn. 49[↩]
- vgl. BAG 27.06.2018 – 10 AZR 290/17, Rn. 36, BAGE 163, 144; 21.03.2018 – 10 AZR 34/17, Rn. 43, BAGE 162, 230[↩]
- Monatsbericht der Deutschen Bundesbank März 2014 Statistischer Teil S. 43 ff.; vgl. auch BFH 9.11.2017 – III R 10/16, Rn. 35 f., BFHE 260, 9[↩]
- vgl. BFH 9.11.2017 – III R 10/16, Rn. 33, 50, aaO; aA BFH 25.04.2018 – IX B 21/18, Rn. 23 ff., 34, BFHE 260, 431[↩]
- vgl. für den Säumniszuschlag nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV: BSG 2.11.2015 – B 13 R 35/14 R, Rn. 21 mwN[↩]
- BGH 25.10.2016 – XI ZR 9/15, Rn. 30 ff., BGHZ 212, 329[↩]
- vgl. BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 29, BAGE 148, 139[↩]
- vgl. BAG 3.07.2019 – 10 AZR 300/18, Rn. 14[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/6857 S. 54[↩]
- vgl. etwa BGH 21.09.2018 – V ZR 68/17, Rn. 31[↩]
- vgl. BAG 24.05.2017 – 5 AZR 251/16, Rn. 38; 18.11.2015 – 5 AZR 814/14, Rn.20[↩]
- vgl. dazu BGH 25.10.2016 – XI ZR 9/15, Rn. 34, BGHZ 212, 329[↩]
- BAG 28.03.2006 – 1 ABR 58/04, Rn. 47 mwN, BAGE 117, 308[↩]
- vgl. Hessisches LAG 18.08.2017 – 10 Sa 211/17, zu B IV 2 b dd der Gründe[↩]
- vgl. den Anlageband zum BGBl. I Nr. 29 vom 24.05.2017 S. 269 bis 282[↩]
- vgl. BAG 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 42 ff., BAGE 164, 201[↩]
- so Hütter jM 2018, 285, 286 f.[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 53 ff., vor allem Rn. 57[↩]
- 10 ABR 33/15, BAGE 156, 213; – 10 ABR 48/15, BAGE 156, 289[↩]
- 18 Sa 619/13[↩]
- BAG 17.02.2016 – 10 AZR 600/14, Rn.19[↩]
- vgl. BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 81 ff.; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 29 ff.; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 42 ff., BAGE 164, 201[↩]
- vgl. BAG 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 30 ff.; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 45 ff., BAGE 164, 201[↩]
- BVerfG 18.07.2000 – 1 BvR 948/00, zu II 2 der Gründe[↩]
- vgl. BVerfG 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, Rn. 144, 147, BVerfGE 146, 71[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 83; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 35 ff.[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 498/17, Rn. 42; 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 86 ff.; 27.03.2019 – 10 AZR 318/17, Rn. 54 ff. mwN[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 95; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 92 ff., BAGE 164, 201[↩]
- BAG 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 68 ff., BAGE 164, 201[↩]
- vgl. BVerfG 17.12 2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 64, BVerfGE 135, 1; BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 91; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 47[↩]
- vgl. BAG 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 77 ff., BAGE 164, 201[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 93; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 49; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 79 ff., aaO[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 94; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 50; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 51, BAGE 164, 201[↩]