Solo-Selbständige – und der Arbeitgeberbegriff des Tarifvertragsgesetzes

Die Tarifvertragsparteien sind nicht regelungsbefugt für sog. Solo-Selbständige, die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen zu beschäftigen.

Solo-Selbständige – und der Arbeitgeberbegriff des Tarifvertragsgesetzes

Auch durch eine Allgemeinverbindlicherklärung wird die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht erweitert.

Dies stellte jetzt das Bundesarbeitsgericht in einem Rechtsstreit über Mindestbeiträge und Auskünfte nach dem Tarifvertrag über die Förderung der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk vom 24.09.2012 (TV ABAG 2012) klar. Dort hatte die von dem Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband (ZIV) – und dem Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger e. V. – Gewerkschaftlicher Fachverband – (ZDS) am 3.12 2012 gegründete Ausbildungskostenausgleichskasse gegen einen ohne Mitarbeiter tätigen Bezirksschornsteinfeger geklagt. Das Bundesarbeitsgericht verneinte hier einen Anspruch der Ausbildungskostenausgleichskasse:

Als Anspruchsgrundlage für die erhobenen Beitragsforderungen kommt allein § 7 Abs. 2 Satz 2 TV ABAG 2012 in Betracht. Die Auskunftsansprüche können sich nur aus § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 TV ABAG 2012 ergeben.

Der beklagte Bezirksschornsteinfegermeister fällt in den von § 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ABAG 2012 beschriebenen fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. Er unterhält einen Betrieb des Schornsteinfegerhandwerks iSv. § 1 Unterabs. 2 Satz 2 TV ABAG 2012.

Beitragspflichtig sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TV ABAG 2012 „die in § 1 des Tarifvertrags genannten Betriebe“. Die Auskunftspflicht gegenüber der Ausbildungskostenausgleichskasse trifft nach § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 TV ABAG 2012 den „Betrieb“. Obwohl § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 TV ABAG 2012 im Unterschied zu § 7 Abs. 1 Satz 2 TV ABAG 2012 nicht ausdrücklich auf „die in § 1 des Tarifvertrags genannten Betriebe“ verweisen, kann damit ebenfalls nur ein Betrieb des Schornsteinfegerhandwerks gemeint sein, der dem in § 1 Unterabs. 2 TV ABAG 2012 definierten fachlichen Geltungsbereich unterfällt.

Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der beklagte Bezirksschornsteinfegermeister zu den in § 1 TV ABAG 2012 genannten Betrieben gehört, die mindestbeitrags- und auskunftspflichtig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2; § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 7 Satz 1 TV ABAG 2012). Die Auslegung der tariflichen Regelungen ergibt, dass auch Solo-Selbständige diesen tariflichen Pflichten unterliegen sollen.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 TV ABAG 2012 verweist auf § 1 TV ABAG 2012. § 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ABAG 2012 bestimmt, dass „alle Betriebe des Schornsteinfegerhandwerks“ dem fachlichen Geltungsbereich des TV ABAG 2012 unterworfen sind. Da der Begriff „Betrieb“ nicht gesondert definiert wird, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihn in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden wissen wollen[1]. Der allgemeine Betriebsbegriff ist zB für § 1 BetrVG und im Wesentlichen auch für § 23 Abs. 1 KSchG maßgeblich. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt[2]. Ein Betrieb kann deshalb auch bestehen, wenn ein Betriebsinhaber keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Diese dem Wortlaut folgende Auslegung fügt sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang des TV ABAG 2012 ein.

Der TV ABAG 2012 verwendet den Begriff „Arbeitgeber“ an keiner Stelle. Damit unterscheidet er sich vom üblichen Wortlaut anderer Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen, zB von früheren Fassungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). § 1 VTV in den im Zeitraum von Juli 1988 bis Dezember 1989 geltenden Fassungen erfasste etwa keine Alleinhandwerker, die stetig keine Arbeitnehmer beschäftigten[3]. § 7 Abs. 1 Satz 1 TV ABAG 2012 bestimmt demgegenüber, dass die Beiträge an die Ausbildungskostenausgleichskasse „von den Betrieben“ aufgebracht werden. Die Norm differenziert nicht danach, ob Arbeitnehmer oder Auszubildende beschäftigt werden oder nicht.

Die Höhe der Beitragspflicht ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TV ABAG 2012 an die kalenderjährliche Bruttolohnsumme gebunden. Die Bruttolohnsumme ist ihrerseits abhängig vom Verdienst der im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die mit einschlägigen Schornsteinfegertätigkeiten betraut sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 TV ABAG 2012). In § 7 Abs. 2 Satz 2 TV ABAG 2012 ist geregelt, dass unabhängig von der Bruttolohnsumme ein Mindestbeitrag „je Betrieb“ von 800, 00 Euro pro Kalenderjahr zu entrichten ist. Daraus ist zu schließen, dass auch solche Betriebe beitragspflichtig sind, die keine Löhne zahlen, also keine Arbeitnehmer beschäftigen. Allein der Anspruch auf Ausbildungskostenausgleich setzt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 TV ABAG 2012 voraus, dass der Betrieb zumindest „einen Auszubildenden zum Schornsteinfeger ausbildet“.

Die Erfassung von Betrieben ohne Arbeitnehmer oder Auszubildende als Beitragszahler durch den TV ABAG 2012 dient dazu, die Beitragsgrundlage zu verbreitern. Der Ausbildungskostenausgleich ist nicht als Gegenleistung für die Beitragszahlung konzipiert. Vielmehr entsteht der Anspruch unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge, wenn der Betrieb einen Schornsteinfeger ausbildet (§ 3 Abs. 1 TV ABAG 2012). Die Beteiligung aller Betriebe an der Finanzierung der Ausbildungskostenausgleichskasse sorgt für die Grundlage an Mitteln, die es der Ausbildungskostenausgleichskasse ermöglicht, ihrem Gesellschaftszweck entsprechend Zuschüsse an die ausbildenden Betriebe zu zahlen (§ 2 TV ABAG 2012). Auf diesem Weg wird eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen bereitgestellt. Die Qualität der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk wird gefördert.

Der TV ABAG 2012 ist jedoch unwirksam, soweit er Beitrags- und Auskunftspflichten für Betriebe begründet, die – wie der beklagte Bezirksschornsteinfegermeister – keine Arbeitnehmer beschäftigen und dies auch nicht beabsichtigen. Die Tarifvertragsparteien können nur für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen Rechte und Pflichten begründen. Sie haben mit § 7 Abs. 2 Satz 2 sowie § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 TV ABAG 2012 ihre Regelungsmacht überschritten, soweit sie Solo-Selbständige, die keine Arbeitnehmer beschäftigen wollen, in das Pflichtengefüge einbezogen haben.

Der beklagte Bezirksschornsteinfegermeister ist kein Arbeitgeber. Zugrunde zu legen ist der allgemeine Arbeitgeberbegriff, nach dem das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer aus gedacht wird. Arbeitgeber ist, wer zumindest einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person beschäftigt oder beschäftigen will[4].

Das folgt für Tarifverträge, die gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorsehen, bereits aus § 4 Abs. 2 TVG. Weder sein Wortlaut noch sein Zweck sprechen dafür, die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien, ihre Regelungsbefugnis, auf solche Unternehmer zu erstrecken, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und auch keine arbeitnehmerähnlichen Personen iSv. § 12a TVG einsetzen wollen. Solo-Selbständige in diesem Sinn sind von der Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht erfasst[5]. Gestützt wird das Ergebnis durch die Systematik des TVG, die Arbeitnehmer, Arbeitgeber und arbeitnehmerähnliche Personen unterscheidet. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass Solo-Selbständige als weitere Kategorie erfasst werden sollen. Das verfassungsrechtliche Untermaßverbot verlangt keine Erweiterung des Arbeitgeberbegriffs.

Nach § 4 Abs. 2 TVG gelten die Regelungen für gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtungen und ihr Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragspartei und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist (§ 3 Abs. 1 TVG). Tarifvertragsparteien sind nach § 2 Abs. 1 TVG Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber und Vereinigungen von Arbeitgebern.

Der einzelne Arbeitgeber kann nach § 2 Abs. 1 TVG Partei eines Tarifvertrags sein. Die Mitglieder einer „Vereinigung von Arbeitgebern“ müssen ihrerseits auch Arbeitgeber sein. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung in § 2 Abs. 1 TVG als „Vereinigung von Arbeitgebern“, jedenfalls aber aus § 4 Abs. 2 TVG, der „tarifgebundene Arbeitgeber“ nennt[6].

Das TVG definiert zwar, wer tarifgebunden ist und wer Tarifvertragspartei sein kann. Eine Definition des Arbeitgeberbegriffs enthält das TVG jedoch nicht. Sie lässt sich auch der Gesetzesgeschichte nicht entnehmen[7]. Dennoch ist von dem allgemeinen Begriffsverständnis auszugehen[8]. Es kommt darauf an, ob zumindest ein Arbeitnehmer beschäftigt wird oder werden soll. Für Solo-Selbständige, die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, sind die Tarifvertragsparteien nicht regelungsbefugt. Solo-Selbständige in diesem Sinn sind weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer, sondern Unternehmer. Grundsätzlich ist keine Tarifvertragspartei für sie tarifzuständig und normsetzungsbefugt[9]. Anderes gilt nur, wenn ein Solo-Selbständiger – anders als der beklagte Bezirksschornsteinfegermeister – arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 12a TVG ist, für die eine Gewerkschaft tarifzuständig und regelungsbefugt sein kann[10].

Für das erweiterte Verständnis des Arbeitgeberbegriffs, das die vorgesehene Beschäftigung von Arbeitnehmern genügen lässt, spricht zB, dass eine Handelsgesellschaft in Gründung bereits Tarifverträge schließen kann. Es reicht aus, wenn sie beabsichtigt, Arbeitnehmer zu beschäftigen[11]. Entsprechendes gilt für qualitative Besetzungsregeln als Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG. Von ihnen können auch solche Personen betroffen sein, die sich erst um einen Arbeitsplatz bemühen[12].

Zwischen dem allgemeinen Betriebsbegriff und dem allgemeinen Arbeitgeberbegriff ist dagegen zu unterscheiden. Betriebsinhaber ist auch, wer keine Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigen möchte, sondern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs allein fortgesetzt verfolgt[13]. Solche Betriebsinhaber sind jedoch keine Arbeitgeber. Der Betriebsbegriff ist in der Systematik des TVG nicht maßgeblich. Die Tarifgebundenheit knüpft an den Arbeitgeberbegriff an (§ 3 Abs. 1, Abs. 2, § 4a Abs. 2 Satz 1 TVG).

Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass Betriebsverfassungsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung von Personen vorsehen können, die weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen oder in Heimarbeit Beschäftigte sind[14]. Das ergibt sich daraus, dass Regelungsgegenstand solcher Normen nicht der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ist, sondern die Organisationsgewalt des Arbeitgebers als Betriebsinhaber. Auf diese Weise können tarifliche Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung von Personen, die keine Arbeitnehmer sind, nur deshalb begründet werden, weil die betriebliche Mitbestimmung nicht nur den Interessen der einzustellenden Personen, sondern vor allem den Interessen der übrigen Belegschaft dient[15]. Die Geltung der betriebsverfassungsrechtlichen Norm setzt voraus, dass der Betriebsinhaber neben den Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, auch Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigen will und damit nicht nur Betriebsinhaber, sondern zudem Arbeitgeber ist[16].

Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien nehmen zwar eine Sonderstellung ein[17]. In § 4 Abs. 2 TVG wird der Begriff der „tarifgebundenen Parteien“ aber wiederholt und damit erkennbar an die Grundsätze der Tarifgebundenheit des § 3 Abs. 1 TVG angeknüpft. Nach der Systematik des Arbeitsrechts ist von einer Dreiteilung des Systems von Arbeitnehmern, arbeitnehmerähnlichen Personen und Selbständigen auszugehen[18]. Das TVG seinerseits kennt Arbeitnehmer, Arbeitgeber und arbeitnehmerähnliche Personen. Nach § 12a TVG werden Selbständige, die im Unterschied zum beklagten Bezirksschornsteinfegermeister wirtschaftlich abhängig sind, als arbeitnehmerähnliche Personen geschützt.

Für den Arbeitgeberbegriff des TVG ist unerheblich, dass es gesetzliche Regelungen gibt, wonach bestimmte Personen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber zu behandeln sind[19]. Es handelt sich um spezielle gesetzliche Anordnungen, wie sie sich im TVG nicht finden.

Abs. 3 GG verlangt nicht, den für das TVG zugrunde zu legenden allgemeinen Arbeitgeberbegriff zu erweitern. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert nicht, Solo-Selbständige, die keine Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlichen Personen beschäftigen wollen und selbst keine arbeitnehmerähnlichen Personen sind, insoweit in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG einzubeziehen.

GG erfasst insbesondere Vereinigungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Hierfür wird auf den allgemeinen Arbeitgeberbegriff zurückgegriffen. Arbeitgeber ist jeder, der Arbeitnehmer beschäftigt[20]. Danach fallen Solo-Selbständige, die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, unter dem Blickwinkel der Tarifautonomie nicht in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG.

GG verlangt keine verfassungskonforme Auslegung, die den Arbeitgeberbegriff des TVG auf Solo-Selbständige erweitert, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen wollen[21]. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird nicht beeinträchtigt, wenn solche Solo-Selbständigen weder tariffähig sind noch der Regelungsmacht der Verbände unterliegen.

Die Tarifautonomie ist ausgestaltungsbedürftig[22]. Durch die Einbeziehung des einzelnen Arbeitgebers wird sichergestellt, dass die Gewerkschaft einen Vertragspartner hat, um einen Tarifvertrag abzuschließen, wenn kein Arbeitgeberverband besteht[23]. Das Grundgesetz legt die Voraussetzungen der Tariffähigkeit nicht abschließend fest. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber überlassen, die Tariffähigkeit im Einzelnen zu normieren und der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzupassen. Die Tariffähigkeit von Innungen dient zB der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie[24].

Der allgemeine Arbeitgeberbegriff, wie er dem TVG zugrunde liegt, läuft den Schutzpflichten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Tarifautonomie zu beachten hat, nicht zuwider. Der Staat ist durch die Grundrechte verpflichtet, bis zur Grenze des Untermaßverbots für eine „Mindestausstattung“ zu sorgen[25]. Diese Grenze ist gewahrt.

Satz 1 GG garantiert den sozialen Schutz der abhängig Beschäftigten im Weg der kollektivierten Privatautonomie[26]. Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen[27].

In Betrieben von Solo-Selbständigen, die keine Arbeitnehmer beschäftigen (wollen), wird der Schutzzweck von Art. 9 Abs. 3 GG nicht berührt. Eine staatliche Handlungspflicht ist daher nicht ausgelöst.

Durch die Allgemeinverbindlicherklärung des TV ABAG 2012 wird die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht erweitert. Die Allgemeinverbindlicherklärung überwindet nach § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG lediglich die fehlende privatautonome Tarifgebundenheit iSv. § 3 Abs. 1 TVG[28]. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags werden inhaltlich nicht verändert. Deshalb reicht der Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags grundsätzlich nur so weit wie der betreffende Tarifvertrag und seine Wirksamkeit[29].

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2018 – 10 AZR 279/16

  1. vgl. BAG 8.11.2017 – 10 AZR 501/16, Rn. 17 mwN[]
  2. für die st. Rspr. BAG 2.03.2017 – 2 AZR 427/16, Rn. 15; 23.11.2016 – 7 ABR 3/15, Rn. 31[]
  3. vgl. BAG 24.08.1994 – 10 AZR 980/93, zu II 2 d der Gründe; zu § 17 VTV idF vom 10.12 2014 dagegen BAG 1.08.2017 – 9 AZB 45/17, Rn. 13 ff.[]
  4. vgl. BAG 1.08.2017 – 9 AZB 45/17, Rn. 12; 27.09.2012 – 2 AZR 838/11, Rn. 16; 21.01.1999 – 2 AZR 648/97, zu II 2 b der Gründe, BAGE 90, 353[]
  5. zu dem Begriff der Normsetzungsbefugnis Vetter NZA-RR 2017, 281, 282[]
  6. aA Bayreuther/Deinert RdA 2015, 129, 133, die § 4 Abs. 2 TVG nicht erörtern[]
  7. vgl. Bayreuther/Deinert RdA 2015, 129, 134[]
  8. vgl. Däubler/Peter TVG 4. Aufl. § 2 Rn. 99[]
  9. vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 137[]
  10. vgl. Löwisch/Rieble aaO § 2 Rn. 262[]
  11. vgl. BAG 24.01.2001 – 4 ABR 4/00, zu B II der Gründe, BAGE 97, 31; 24.06.1998 – 4 AZR 208/97, zu 1 a der Gründe, BAGE 89, 193; siehe auch BAG 1.08.2017 – 9 AZB 45/17, Rn. 17[]
  12. vgl. BAG 26.04.1990 – 1 ABR 84/87, zu B V 3 a der Gründe, BAGE 64, 368[]
  13. vgl. BAG 24.08.1994 – 10 AZR 980/93, zu II 2 d der Gründe[]
  14. BAG 31.01.1995 – 1 ABR 35/94, zu B II 4 a der Gründe[]
  15. BAG 31.01.1995 – 1 ABR 35/94 – aaO[]
  16. vgl. Bayreuther/Deinert RdA 2015, 129, 130 f.[]
  17. vgl. Bayreuther/Deinert RdA 2015, 129, 136[]
  18. BAG 20.09.2000 – 5 AZR 61/99, zu II der Gründe[]
  19. vgl. für in Heimarbeit Beschäftigte § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, für arbeitnehmerähnliche Personen § 2 Satz 2 BUrlG, für Auszubildende § 10 Abs. 2 BBiG, für den Arbeitgeberbegriff des AGG § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG[]
  20. Kemper in von Mangoldt/Klein/Starck GG 7. Aufl. Art. 9 Rn. 91[]
  21. aA Bayreuther/Deinert RdA 2015, 129, 134[]
  22. näher Poscher RdA 2017, 235 ff.[]
  23. vgl. BVerfG 16.09.1991 – 1 BvR 453/90, zu 2 der Gründe[]
  24. vgl. BVerfG 19.10.1966 – 1 BvL 24/65, zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 20, 312[]
  25. vgl. ErfK/Linsenmaier 18. Aufl. Art. 9 GG Rn. 9[]
  26. vgl. BVerfG 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, Rn. 147[]
  27. BVerfG 1.12 2010 – 1 BvR 2593/09, Rn. 23, BVerfGK 18, 252[]
  28. vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 5 Rn. 320[]
  29. vgl. Däubler/Lakies TVG 4. Aufl. § 5 Rn.193[]