Optische Mängel beim Estrichfußboden

Ist die Frage eines optischen Mangels eines Werks durch Lichtbilder und/oder die technische Begutachtung eines Sachverständigen nicht ausreichend aufzuklären, ist das Gericht gehalten, einen Augenschein einzunehmen.

Optische Mängel beim Estrichfußboden

Eine ausdrückliche Erklärung des Bestellers, das Werk sei nicht abnahmefähig, schließt eine anschließende konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme aus, wenn zwischen Mängelrüge und Ingebrauchnahme nicht nachgebessert wurde.

Eine Selbstvornahme liegt nicht vor, wenn der Besteller nur nachteilige Auswirkungen eines Baumangels auf die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes, an dem die Bauleistungen erbracht werden, beseitigt, ohne den vom Unternehmer geschuldeten Erfolg zu bewirken. In einem solchen Fall bleibt der Unternehmer bis zur Mängelbeseitigung verpflichtet, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben.

Eine konkludente Abnahmeerklärung durch Ingebrauchnahme ist nicht festzustellen.

In einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme kann eine schlüssige Abnahmeerklärung zu sehen sein. Eine konkludente Abnahme kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die Leistung nur teilweise oder erkennbar vertragswidrig ausgeführt worden ist, weil hier von einer stillschweigenden Billigung der Vertragsleistung durch den Auftraggeber nicht ausgegangen werden kann, selbst wenn eine Inbenutznahme der Bauleistung vorliegt. Zum Zeitpunkt der Ingebrauchnahme hatte ium hier vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall die Beklagte bereits Mängel gerügt und die Klägerin erklärt gehabt, “nicht mehr machen” zu können. Schon die ausdrückliche Erklärung der Beklagten, der Boden sei nicht abnahmefähig, er sei optisch mangelhaft und die Nachbesserung sei fehlgeschlagen, schließt eine konkludente Abnahme durch Eröffnung des Ladenlokals aus.

Darüber hinaus ist in der Ingebrauchnahme dann keine konkludente Abnahmeerklärung zu erkennen, wenn die Ingebrauchnahme trotz Mängel durch die Umstände erzwungen war. Darauf hat sich die Beklagte zu Recht berufen. Die Ingebrauchnahme des Bodens zum geplanten Geschäftseröffnungstermin reduzierte eventuelle Schadensersatzansprüche.

Eine fiktive Abnahme gemäß § 12 Nr. 5 VOB / B liegt nicht vor. Eine solche Abnahme setzt voraus, dass die Leistung fertig gestellt ist, also abnahmereif sein muss. Lediglich unwesentliche Mängel stehen einer fiktiven Abnahme nicht entgegen. Der verlegte Boden weist jedoch einen gravierenden optischen Mangel auf. Die Parteien hatten vereinbart, dass der zu verlegende Boden eine bestimmte Farbgebung zu haben hat, der einem Bodenbelag in einem Restaurant “I.” in Hamburg entspricht.

Die Parteien haben damit hinsichtlich der Farbgebung eine besondere Beschaffenheitsvereinbarung des zu erstellenden Werks getroffen. Nicht jede Beschreibung der geschuldeten Werkleistung stellt ohne weiteres die Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit dar. Erforderlich ist vielmehr, dass der Besteller erkennbar großen Wert auf die Einhaltung der Leistungsbeschreibung legt, weil es ihm darauf ankommt, dass das Werk nach der Leistungsbeschreibung gestaltet wird und der Unternehmer die Einhaltung dieser Leistungsvorgaben verspricht. Hier hat die Beklagte als Bestellerin vor Vertragsabschluss auf die Farbgebung des Bodenbelags ein ganz besonderes Gewicht gelegt, was allein schon dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass vor Auftragserteilung eine gemeinsame Besichtigung des Bodenbelags in dem Restaurant “I.” in Hamburg stattgefunden hat. Daneben stützt der Bestimmungszweck des Bodens die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung. Der Boden sollte in einem Ladenlokal für gehobene Herrenmoden verlegt werden. Der Industrieboden sollte daher eine repräsentative Funktion haben, für die das optische Erscheinungsbild unabdingbar war.

Die Abweichung der Farbgebung des Bodens ist als wesentlich anzusehen.

Unwesentlich ist ein Mangel, wenn er an Bedeutung so weit zurücktritt, dass es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Besteller zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den Vorteilen zu bestehen, die sich ihm vor vollzogener Abnahme bieten. Ob ein Mangel “wesentlich” ist, ist anhand der Art des Mangels, seines Umfangs und seiner Auswirkungen zu beurteilen, wobei dies unter Berücksichtigung und Wertung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden ist. Subjektive Vorstellungen der Parteien über die Bedeutung bestimmter Einzelheiten der Ausführung der Leistung können eine Rolle spielen, wenn sie hinreichend zum Ausdruck gekommen sind. Auch optische Beeinträchtigungen können einen wesentlichen Mangel darstellen.

Der Mangel betrifft eine Beschaffenheitsvereinbarung. Die Beschaffenheitsvereinbarung verdeutlicht hier die Bedeutung der Optik für den Besteller. Die vertraglich vereinbarte Optik war das entscheidende Kriterium der Beklagten für den Abschluss des Werkvertrags. Der Bodenbelag ist in Verkaufsräumen verlegt. Mit der Mangelrüge vom 18.08.2008 hat die Beklagte darauf hinweisen lassen, dass das Kaufverhalten von Kunden nicht unerheblich davon abhänge, ob sie sich in einem Ladengeschäft aufgrund dessen optischer Gestaltung wohlfühlen oder nicht. Dem Estrich kam damit nicht nur die Funktion zu, den Boden begehen zu können, sondern er sollte durch seine Optik das Erscheinungsbild des Verkaufsraums gestalten. Dazu war der von der Klägerin eingebaute Estrich auf Grund seiner Mängel aber nicht in der Lage. In diesem Sinn ist hier die Funktionalität des Estrichs eingeschränkt. Dieses nachvollziehbare Interesse der Beklagten an der Optik des Geschäftslokals und an der Erzeugung eines – dem Namen der Beklagten “factory” entsprechenden – Ambiente eines Fabrikationsraums durch einen unversiegelten Estrich bei gleichzeitig besonderer Aufmachung durch Pünktchen und einen farbigen Grundton führt zu einem wesentlichen Mangel, auch wenn der Estrich seine technische Funktion erfüllt.

Der Rechtsstreit hat weder im Vortrag der Parteien noch in der Begutachtung durch den Sachverständigen B. irgendeinen Hinweis ergeben, wie das geschuldete Erscheinungsbild des Estrichs mit dem jetzt eingebauten Boden erreicht werden könnte. Der Estrich muss daher im Zweifel ausgetauscht werden, wenn die vertraglich vereinbarte Optik hergestellt werden soll. Auch unter dem Gesichtspunkt des Mangelbeseitigungsaufwands liegt ein wesentlicher Mangel vor.

Die Beklagte hat den Werkvertrag konkludent gemäß §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B gekündigt und begehrt von der Klägerin keine Nachbesserung mehr.

Der Werklohn ist auch ohne Abnahme fällig, wenn der Auftraggeber nicht mehr Erfüllung, sondern wegen der mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt und deshalb zwischen den Parteien ein reines Abrechnungsverhältnis besteht. Dies gilt auch nach Kündigung eines Bauvertrags.

Ein Abrechnungsverhältnis ist hier nicht durch eine Selbstvornahme entstanden.

Eine Selbstvornahme liegt nicht vor, wenn der Besteller nur die nachteiligen Auswirkungen eines Baumangels auf die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes, an dem die Bauleistungen erbracht werden, durch bauliche Maßnahmen beseitigt wie zum Beispiel hier durch eine neue Beschichtung, mit der unstreitig der optische Mangel des Bodens nicht beseitigt wurde. In einem solchen Fall bleibt der Unternehmer bis zur Mängelbeseitigung verpflichtet, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben. Die Beschichtung des Estrichs erfolgte hier nach dem Vortrag der Beklagten, um im Hinblick auf die herausgerissenen Stahlfasern eine Eignung der Bodenkonstruktion zur Nutzung als Verkaufsfläche herbeizuführen, nachdem die Öffnung des Ladenlokals unmittelbar bevorstand. Die Klägerin hat ebenfalls vorgetragen, dass lediglich eine neue Beschichtung aufgebracht worden und dies eine völlig andere Ausführung als das gewesen sei, was von der Klägerin im Rahmen der Nachbesserung verlangt worden sei. Davon hat sich der Senat beim Augenschein im Geschäftslokal der Beklagten in Stuttgart überzeugt. Mit der Epoxidharz-Beschichtung sollte daher die vertraglich geschuldete Farbgebung des Bodens nicht hergestellt werden.

Die Parteien haben sich nicht auf eine andere Art der Mängelbeseitigung geeinigt. Aus dem Umstand, dass die Beklagte ein Abschleifen des Bodens durch die Klägerin hingenommen hat, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Es ist nicht festzustellen, dass die Parteien damit die geschuldete Soll-Beschaffenheit des Fußbodens im Hinblick auf die Farbgebung einvernehmlich abgeändert hätten. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem Anwaltsschreiben vom 18.08.2008, Anlage B 6. Vielmehr diente diese Maßnahme der Klägerin nach dem nicht angegriffenen Vortrag der Beklagten allein dazu, einen für die Eröffnung des Ladengeschäfts tauglichen Boden herzustellen. Dass die Beklagte sich darauf eingelassen hat, kann nicht als Einverständnis aufgefasst werden, dadurch ein vertragsgerechtes Werk herzustellen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte der Klägerin den Auftrag wirksam nach §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B entzogen, auch wenn eine Auftragsentziehung nicht ausdrücklich erklärt wurde. Ausnahmsweise ist die Entziehungserklärung entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung endgültig und ernsthaft verweigert hat und dadurch sein Recht auf Mangelbeseitigung verloren hat. In diesem Ausnahmefall kann auf die Erklärung der Kündigung durch den Auftraggeber verzichtet werden, weil dadurch unklare Verhältnisse nicht entstehen. Dabei kann auch einer Untätigkeit nach Mangelbeseitigungsaufforderung eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung entnommen werden.

Das Landgericht ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Dies beruht auf der Angabe des Zeugen U., er habe gegenüber den Zeugen S. nach Durchführung der Nachbesserungsarbeiten der Klägerin geäußert, dass er nichts mehr machen könne. Nachdem die Klägerin Nachbesserungsarbeiten ernsthaft und endgültig verweigert hatte, war eine Auftragsentziehung durch die Beklagte vor einer Fremdnachbesserung nicht erforderlich, weil es unter den Beteiligten zu unklaren Verhältnissen bei der weiteren Abwicklung wegen der endgültigen Verweigerung der vertragsgemäßen Fertigstellung durch die Beklagte nicht mehr kommen konnte. Durch die endgültige Verweigerung der vertragsgemäßen Fertigstellung hat die Beklagte ihr Recht, die vertragsgemäße Herstellung selbst vorzunehmen, verloren. Ein Nebeneinander von Auftragnehmer und Drittunternehmer, der zu Streitigkeiten auf der Baustelle führen könnte, war ausgeschlossen. Das Abstellen auf eine Entziehungserklärung wäre vor diesem Hintergrund eine reine Förmelei.

Darüber hinaus stellte das beharrliche Bestreiten eines optischen Mangels durch die Klägerin im Rechtsstreit eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung dar, die die primäre Erfüllungspflicht der Klägerin beendet hat.

Durch ihre Erfüllungsverweigerung ist der Klägerin das Recht der Nachbesserung verloren gegangen. Ihr steht für die erbrachte Leistung ein – anteiliger – Werklohn nur zu, soweit sie mangelfrei ist. Nachdem die Werkleistung der Klägerin hier insgesamt mangelbehaftet ist, hat sie keinen Anspruch auf Werklohn. Nachdem sie durch die endgültige Verweigerung der Nachbesserung die Fälligkeitsvoraussetzung für einen Werklohnanspruch nicht mehr schaffen kann, ist die Werklohnklage als endgültig unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin hat sich in dem im Anschluss an den letzten Augenscheintermin des Senats durchgeführten mündlichen Verhandlung auf eine Minderung wegen Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung berufen. Ein Minderungsrecht steht aber, soweit § 13 Nr. 6 VOB/B auch vor Abnahme angewendet wird, allein dem Auftraggeber, hier also der Beklagten zu. Ein Besteller muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass der durch eine nicht vertragsgemäße Erfüllung verbleibende Minderwert durch einen Minderungsbetrag abgegolten wird.

Allerdings kann ein Auftragnehmer die Neuherstellung oder Nachbesserung ausnahmsweise wegen eines damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwands auch schon vor Abnahme verweigern, so dass grundsätzlich der gesamte Werklohnanspruch entsteht. Dabei kann dieses Recht vor Abnahme nicht weiter gehen als das in § 13 Nr.6 VOB/B geregelte Recht nach Abnahme.

Die Berufung der Klägerin auf einen unverhältnismäßigen Nachbesserungsaufwand scheitert schon daran, dass die Klägerin durch ihre vorangegangene ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung ihr Recht auf Nachbesserung verloren hatte. Sie konnte daher eine Nachbesserung nicht mehr unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit des Nachbesserungsaufwands verweigern.

Unverhältnismäßigkeit ist in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, kann ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht verweigern. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Von Bedeutung bei der gebotenen Abwägung ist auch, ob und in welchem Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet hat. Hier hat die Beklagte ein objektiv hohes Interesse an einer optisch mangelfreien Werkleistung. Der Mangelbeseitigungsaufwand durch Austausch des Estrichs ist nicht unverhältnismäßig.

Die Parteien haben im Zusammenhang mit der Nachbesserung durch die Klägerin vereinbart, dass die Beklagte an die Klägerin eine Vorauszahlung in Höhe von 20.000,– € erbringt, was dann tatsächlich auch geschehen ist. Diese Leistung hat die Klägerin der Beklagten auf die Widerklage zurückzuerstatten.

Verpflichtet sich der Auftraggeber in einem Bauvertrag gegenüber dem Auftragnehmer zu Voraus- oder Abschlagszahlungen, ist dieser verpflichtet, seine Leistungen nach Abnahme oder Beendigung des Vertrages abzurechnen und einen etwaigen Überschuss an den Auftraggeber auszuzahlen. Der Unternehmer muss darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten.

Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass ihr die Abschlagszahlung von 20.000,- € endgültig zusteht. Wegen des Mangels im Erscheinungsbild des Estrichs steht ihr ein Werklohn nicht zu. Sie darf deshalb die Abschlagszahlung auf den Werklohn nicht behalten.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19. April 2011 – 10 U 116/10