An einen Betriebsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO bei einer gegenseitigen Betriebsleiterbestellung zweier Handwerksbetriebe werden besondere Anforderungen gestellt.

Auch getrennte, aber sachlich übereinstimmende Erklärungen der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer erfüllen das Erfordernis “einer gemeinsamen Erklärung” im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO.
Die Rechtmäßigkeit einer sofort vollziehbaren Betriebsuntersagung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall bejaht.
Der Antragsgegner hat mit dem angefochtenen Bescheid ausweislich dessen Begründung gegenüber dem Antragsteller lediglich die in dessen Betrieb auch selbständig ausgeübten Arbeiten des Zimmerer- und Dachdeckerhandwerks untersagt, mithin eine nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO mögliche konkrete Betriebsuntersagung, nicht aber eine betriebsunabhängige allgemeine Gewerbeuntersagung getroffen.
Der Antragsgegner ist nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Nr. 3.1.1.3 Anlage 1 Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts sowie in anderen Rechtsgebieten – ZustVO-Wirtschaft – vom 18. November 2004, zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Juli 2011, zuständig. Auch die besonderen formellen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO sind offensichtlich erfüllt. Die zuständige Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer sind vor Erlass der Untersagungsverfügung von dem Antragsgegner angehört worden und haben übereinstimmend mitgeteilt, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, vor einseitig motivierten Maßnahmen eine Verständigung und Abstimmung zwischen den Kammern zu erreichen, genügen auch getrennte, aber sachlich übereinstimmende Erklärungen dem Erfordernis “einer gemeinsamen Erklärung” im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO.
Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO kann die Fortsetzung eines Betriebs untersagt werden, wenn der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Betrieb des Antragstellers erbringt nach seinen eigenen Einlassungen und den Ermittlungen des Antragsgegners unstreitig wesentliche Tätigkeiten des Zimmerer- und Dachdeckerhandwerks. Der Antragsteller beabsichtigt, diese Tätigkeiten mit seinem Betrieb auch zukünftig zu erbringen. Der Antragsteller übt damit den selbständigen Betrieb eines nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. Anlage A Nrn. 3 und 4 HwO zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe aus. Diese Ausübung erfolgt entgegen den Vorschriften des Gesetzes, da der Antragsteller jedenfalls hinsichtlich der in Nrn. 3 und 4 Anlage A HwO genannten zulassungspflichtigen Handwerke nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist. Das könnte allenfalls dann unschädlich sein, wenn es sich bei seinem Betrieb um einen eintragungsfreien Nebenbetrieb (§ 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 2 Nrn. 2 und 3, 3 Abs. 2 HwO) oder um einen Hilfsbetrieb (§ 3 Abs. 1 und 3 HwO) handeln würde. Beides ist offensichtlich nicht der Fall.
Sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO damit erfüllt, so ist es in der Regel auch ermessensgerecht, die Fortführung des Betriebes zu untersagen. Ausnahmsweise kann in Fällen einer kurzfristig behebbaren lediglich formellen Rechtswidrigkeit, etwa wenn der Gewerbetreibende zwar noch nicht eingetragen ist, er aber die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt, etwas anderes gelten. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller als Inhaber des Betriebs selbst die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Zimmerer- und Dachdeckerhandwerk nicht erfüllt und auch die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände nach §§ 7a, b und 8 HwO nicht vorliegen. Diese Feststellungen hat der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht angegriffen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt auch der Dachdeckermeister E. nicht den Anforderungen eines im Betrieb des Antragstellers tätigen Betriebsleiters im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO, die es ermöglichen würden, den Antragsteller als Inhaber des Betriebs auch mit dem Zimmerer- und Dachdeckerhandwerk in die Handwerksrolle einzutragen. Der Dachdeckermeister E. erfüllt zwar offenbar die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Dachdeckerhandwerk. Er ist aber kein im Betrieb des Antragstellers tätiger Betriebsleiter.
Ein Betriebsleiter soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts wie ein das Handwerk selbständig betreibender Handwerksmeister die handwerklichen Tätigkeiten leiten und dafür sorgen, dass diese Tätigkeiten “meisterhaft” ausgeführt werden. Die fachlich-technische Leitung des Betriebes muss deswegen in seiner Hand liegen. Der Betriebsleiter muss über den Handwerksbetrieb in seiner fachlichen Ausgestaltung bestimmen und insoweit die Verantwortung tragen. Das setzt zunächst voraus, dass er nach seiner vertraglichen Stellung zu der juristischen Person rechtlich in der Lage ist, einen bestimmenden Einfluss auf den handwerklichen Betrieb zu nehmen. Der Betriebsleiter muss namentlich zum Vorgesetzten der handwerklich beschäftigten Betriebsangehörigen bestellt und ihnen gegenüber weisungsbefugt sein. Er muss außerdem die ihm übertragene Leitung auch wahrnehmen können und tatsächlich ausüben. Der Betriebsleiter hat den Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen. Er darf sich nicht auf eine bloße Kontrolle des Arbeitsergebnisses beschränken. Er hat vielmehr Mängel in der Ausführung der Arbeiten zu verhindern und erforderlichenfalls abzustellen, Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder Betriebsanweisungen zu vermeiden und zu unterbinden. Seine Tätigkeit muss insgesamt darauf angelegt sein, die handwerkliche Güte der Arbeiten zu gewährleisten.
Diesen Anforderungen genügt die Tätigkeit des Dachdeckermeisters E. im Betrieb des Antragstellers nicht.
Dabei kann das Gericht hier dahinstehen lassen, ob die im Kooperationsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Firma G. vom 2. Februar 2006 vorgenommene gegenseitige Betriebsleiterbestellung zweier Handwerksbetriebe, welche maßgeblich darauf gerichtet ist, wechselseitig die Eintragung in die Handwerksrolle auch für das Handwerk zu erreichen, mit dem der jeweils andere dort bereits eingetragen ist, von vorneherein nicht geeignet ist, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO zu erfüllen.
Denn jedenfalls im vorliegenden konkreten Einzelfall ist nicht sichergestellt, dass der Dachdeckermeister E. die ihm durch den Kooperationsvertrag übertragene Leitung der im Betrieb des Antragstellers auszuführenden Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten auch wahrnehmen kann und tatsächlich ausübt.
Dem Dachdeckermeister E. ist aufgrund des Kooperationsvertrages die technische Leitung für die im Betrieb des Antragstellers anfallenden Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten übertragen. Insoweit ist er weisungsbefugt und berechtigt, die Facharbeiter anzuleiten und die Arbeitsabläufe und ‑ergebnisse zu bestimmen und zu kontrollieren. Einer effektiven und ordnungsgemäßen Wahrnehmung dieser Aufgaben als Betriebsleiter steht allerdings die Vollzeitbeschäftigung des Dachdeckermeisters E. als alleiniger angestellter Betriebsleiter auch im Betrieb G. entgegen. Zwar kann es in Einzelfällen zulässig sein, dass ein Handwerksmeister mehr als einen Handwerksbetrieb als technischer Betriebsleiter leitet und überwacht. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts kommt dies allerdings nur für selbständige Handwerksmeister in Betracht, die diese Aufgabe auf der Grundlage freier eigener zeitlicher Disposition wahrnehmen können. Dieses “Mehr-Betriebs-Privileg” steht einem angestellten Handwerksmeister, welcher, wie hier, in seiner abhängigen Vollzeitbeschäftigung insbesondere im Hinblick auf die Zeiteinteilung im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber weisungsgebunden ist, regelmäßig nicht zu. Dass der Dachdeckermeister E. hier ausnahmsweise frei über seine Arbeitszeit im Betrieb G. verfügen kann und dort zur Wahrnehmung der Betriebsleiteraufgaben im Betrieb des Antragstellers jederzeit abkömmlich ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Darüber hinaus hat der Antragsteller auch nicht hinreichend konkret vorgetragen, dass der Dachdeckermeister E. die ihm übertragenen Betriebsleiteraufgaben im Betrieb des Antragstellers tatsächlich ausübt. So hat der Bauherr des vom Betrieb des Antragstellers in D. betreuten Bauvorhabens gegenüber dem Antragsgegner darauf hingewiesen, dass auf der Baustelle stets nur Mitarbeiter des Antragstellers tätig gewesen seien. Auch wenn der Bauherr nicht jederzeit auf der Baustelle anwesend gewesen sein mag, ist es zumindest ungewöhnlich, dass dieser den Betriebsleiter während mehrere Monate dauernder Bauarbeiten zu keinem Zeitpunkt auf der Baustelle angetroffen hat. Angesichts der gerade im Bereich der gefahrgeneigten Handwerke, zu denen auch das Zimmerer- und Dachdeckerhandwerk gehört, bestehenden besonders hohen Anforderungen an die Präsenz des Betriebsleiters hätte hier der Antragsteller konkret dartun müssen, zu welcher Zeit und in welchem Umfang der von ihm bestellte Betriebsleiter auf der Baustelle den Arbeitsablauf gesteuert, betreut und überwacht hat. Ein solcher Vortrag des Antragstellers fehlt vollständig.
Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ist auch die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens erforderlich.
Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 9. März 2011 die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet und gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Der Antragsgegner ist dabei zu Recht von einem den Sofortvollzug rechtfertigenden überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ausgegangen. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit stellt ein wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bei gefahrgeneigten Tätigkeiten verlangt die Handwerksordnung für den selbständigen Betrieb einer solchen Tätigkeit im stehenden Gewerbe die Eintragung in die Handwerksrolle. Dazu bedarf es des Nachweises der hinreichenden Qualifikation des Handwerkers und zwar vorrangig durch die bestandene Meisterprüfung oder durch einen gleichwertigen Befähigungsnachweis gemäß § 7 Abs. 2, § 7b Abs. 1 Nr. 2 oder § 8 Abs. 1 Satz 1 HwO. Ohne einen solchen Nachweis, über den der Antragsteller nicht verfügt, besteht mangels erwiesener Qualifikation die konkrete Gefahr, dass durch unsachgemäße Ausübung der handwerklichen Tätigkeit, hier insbesondere durch das Errichten von Dachstühlen, Personen zu Schaden kommen. Dies gilt es im öffentlichen Interesse ebenso unverzüglich zu verhindern wie den Eintritt von finanziellen Schäden für die betroffenen Bauherren. Zudem kann dem Antragsteller auch vorübergehend nicht der ungerechtfertigte Vorteil verbleiben, den er gegenüber dem gesetzestreuen Handwerker, der sich kosten- und zeitaufwändig um den Qualifikationsnachweis für die Eintragung in die Handwerksrolle bemüht, durch seinen unerlaubten Betrieb mit einem entsprechenden Kostenvorteil erzielt. Dies gilt gerade auch seit der durch die Einführung des § 7b HwO eröffneten Möglichkeit, als Geselle ohne Meisterprüfung unter erleichterten Voraussetzungen in die Handwerksrolle eingetragen zu werden. Durch die sofort vollziehbare Untersagung der Ausübung von selbständigen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten im Betrieb des Antragstellers wird diesem zwar die Fortführung des Betriebes in der bisherigen Form unmöglich gemacht. Sein privates Interesse hieran ist aber schon deshalb weniger schutzwürdig als das öffentliche Interesse an der Betriebsuntersagung, weil er ohne Weiteres einen die handwerksrechtlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO erfüllenden Betriebsleiter einstellen und so seinen Betrieb fortführen kann.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 29. September 2011 – 8 ME 105/11