Bodenbeschichtungsarbeiten – und die Betragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft

Ein Betrieb  mit der selbständigen Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ Bodenbeschichtungsarbeiten unterfallen dem betrieblichen Geltendbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Bodenbeschichtungsarbeiten – und die Betragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft

Die Pflicht der Unternehmerin, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, ergibt sich für den Zeitraum bis 30.06.2013 aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 3 Abs. 3, § 18 Abs. 2 Satz 1, § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2011 und 2012. Für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.07.2018 beruht die Beitragspflicht auf § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 3 Abs. 3, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 I, 2013 II, 2014 und 2015. An die den Streitzeitraum abdeckenden VTV ist die Unernehmerin nach § 7 Abs. 1 bis 6 iVm. den Anlagen 26 bis 31 SokaSiG gebunden. Es bestehen keine Bedenken daran, dass das SokaSiG als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes verfassungsgemäß ist[1]. Die Bindung an den VTV 2014 und 2015 ergibt sich daneben auch aus § 5 Abs. 4 TVG iVm. den wirksamen AVE VTV 2015 und 2016[2]. Soweit es für den Verfall auf den VTV 2018 ankommt, ist die Unernehmerin an ihn nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE vom 07.05.2019[3] gebunden.

Mit dem in § 31 Satz 2 VTV 2018 geregelten Außerkrafttreten der VTV 2013 I bis 2015 zum 1.01.2019 ist nicht verbunden, dass diese Tarifverträge für Beitragsansprüche während des Geltungszeitraums nicht mehr als Anspruchsgrundlagen herangezogen werden können. Das Außerkrafttreten der VTV 2013 I bis 2015 nach § 31 Satz 2 VTV 2018 erfolgte mit Inkrafttreten des VTV 2018. Dadurch kam es lediglich zu einer Ablösung[4], nicht zu einer rückwirkenden Aufhebung des VTV 2015. Entsprechend sieht auch § 7 Abs. 1 SokaSiG vor, dass der VTV 2015 bis zur Beendigung des Tarifvertrags gilt.

Die selbständige Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ wird vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Bei den versehenen Arbeiten handelt es sich jedenfalls um bauliche Tätigkeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Betriebsabteilung nicht als Betrieb des Steinmetzhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 13 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen.

Ein Betrieb wird vom Geltungsbereich der VTV erfasst, wenn im Kalenderjahr des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der jeweiligen VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinn erbracht, sind ihnen auch diejenigen Nebenarbeiten zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Für den Geltungsbereich der VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen ihrer Abschnitte IV oder V genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus festgestellt werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen[5].

Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang von § 1 Abs. 2 VTV wird der betriebliche Geltungsbereich in seinen Abschnitten I bis V positiv nach den verrichteten baulichen Tätigkeiten bestimmt. Abschnitt VI regelt, auf welche betriebliche Einheit abzustellen ist und wie die Zuordnung bei verschiedenen Tätigkeiten zu erfolgen hat (sog. Mischbetriebe). Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 VTV fallen danach Betriebe grundsätzlich als Ganzes unter den Tarifvertrag, soweit die in den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Der betriebliche Geltungsbereich wird ua. erweitert durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV für den Fall, dass in einem Mischbetrieb überwiegend zwar baufremde, in einer selbständigen Betriebsabteilung aber bauliche Leistungen der Abschnitte I bis V erbracht werden[6].

Daran gemessen unterfällt die selbständige Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV. Bei den dort versehenen Arbeiten handelt es sich jedenfalls um bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Offenbleiben kann daher, ob die Tätigkeiten auch als Estricharbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV einzuordnen sind.

Es spricht mit Blick auf das verwendete Bindemittel und die angewandte Technik Einiges dafür, dass die von der Unternehmerin ausgeführten Bodenbeschichtungen als Estricharbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11 VTV anzusehen sind.

Estrich ist ein auf einem tragenden Untergrund oder auf einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht hergestelltes Bauteil, das unmittelbar nutzfähig ist oder mit einem Belag wie zB PVC, Teppichboden, Parkett, keramischen Platten oder Naturstein versehen werden kann. Unterschieden werden nach dem Bindemittel Nass- bzw. Mörtelestriche, bitumengebundene Estriche sowie kunstharzgebundene Estriche; auch die Herstellungsart und -technik ist unterschiedlich. Der Annahme von Estricharbeiten steht nicht entgegen, wenn Beschichtungen auf bereits vorhandene Estrichschichten aufgebracht werden. Es ist für den Begriff der Estricharbeiten nicht notwendig, dass es sich um den einzigen Belag handelt, der auf dem Rohfußboden aufliegt[7].

Die Herstellung einer Bodenbeschichtung ist charakteristisch für das Berufsbild des Estrichlegers als einem Ausbildungsberuf des Bauhauptgewerbes (§ 53 ff. iVm. Anlage 10 [zu § 54] der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 02.06.1999 [BauWiAusbV] idF vom 20.02.2009 [BGBl. I S. 399]). Neben dem Herstellen von Estrichen nach § 53 Nr. 8 BauWiAusbV zählen ua. das Auftragen von Kunstharzschichten (§ 53 Nr. 10 BauWiAusbV) sowie das Sanieren und Instandsetzen von Estrichen und Belägen (§ 53 Nr. 12 BauWiAusbV) zum Ausbildungsberufsbild. Das Auftragen von Kunstharzschichten iSv. § 53 Nr. 10 BauWiAusbV beinhaltet, solche aus Reaktionsharzen für Imprägnierungen, Versiegelungen, Beschichtungen und Kunstharzestriche nach unterschiedlichen Verfahren aufzutragen (Nr. 10 der Anlage 10 [zu § 54] BauWiAusbV).

Jedenfalls fallen die versehenen Arbeiten als bauliche Leistungen unter § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV.

Die Unernehmerin erbrachte im streitgegenständlichen Zeitraum in ihrer selbständigen Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ „nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung bauliche Leistungen“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Dieses Tarifmerkmal erfüllen Betriebe bzw. selbständige Betriebsabteilungen, wenn sie arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten ausführen, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder -haltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können[8]. Die Beschichtung von Fußböden durch Auftragen flüssiger Beläge, die den gewünschten Eindruck, die erstrebte Beschaffenheit oder Pflegeleichtigkeit aufweisen sollen, zählt zur Erstellung, Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken. Ohne die von der Unternehmerin aufgebrachte Beschichtung können die Böden und damit die Gebäude nicht die erwünschte Funktion erfüllen. Daher verfängt der Einwand der Beklagten nicht, dass die Beschichtung „keine Maßnahme [ausmacht], die die Vollendung oder Nutzung des Bauwerks an sich erfordert“. Die Beschichtung eines Bodens verändert ein Gebäude nach den Wünschen des Bauherrn und zählt damit zur Erstellung eines Bauwerks[9]. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass sich die Kunstharzbeschichtung rückstandslos entfernen lassen soll. Für baugewerbliche Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV ist es nicht erforderlich, dass die zu verbauenden Materialien zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes iSv. § 94 Abs. 2 BGB gehören[10].

Die Unernehmerin erbrachte auch „nach ihrer betrieblichen Einrichtung bauliche Leistungen“. Dieses Tarifmerkmal des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfüllen Betriebe, wenn sie Leistungen mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und -methoden des Baugewerbes ausführen[11]. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verwendete die Unernehmerin Quarzsand, Quarzmehl und Epoxidharz. Dabei handelt es sich um Werkstoffe des Baugewerbes. Sie setzte baugewerbliche Arbeitsmittel in Form von Misch, Rühr- und Verdichtungsgeräten sowie in Form von Walzen, Rakeln und Pinseln ein. Damit vollzogen sich die Arbeiten nach den Arbeitsmethoden des Baugewerbes[12].

Dass nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV Bodenbelagsarbeiten nur dann als baulich zu werten sind, wenn sie in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen erbracht werden, steht der Qualifizierung der von der Unternehmerin versehenen Bodenbeschichtungsarbeiten als bauliche Leistungen nicht entgegen. Die Bestimmung dient der Abgrenzung zum Raumausstattergewerbe. Da nicht jede Art der Herstellung von Bodenbelägen – wie zB das Beschichten von Böden durch das Aufbringen von Flüssigkeiten, zum Raumausstattergewerbe zählt, können solche Tätigkeiten auch ohne das Zusammentreffen mit anderen baulichen Leistungen den VTV unterfallen[13].

Die selbständige Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 13 VTV als Betrieb des Steinmetzhandwerks von dessen betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Dies kann das Bundesarbeitsgericht – da alle notwendigen Feststellungen getroffen sind – selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Ein Betrieb im Sinn der Ausnahmetatbestände setzt voraus, dass in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die einem der Tatbestände des Ausnahmekatalogs zuzuordnen sind[14]. Dabei müssen nicht arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeübt werden, die das gesamte Spektrum dieses Gewerbes abbilden, um – hier – nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 13 VTV aus dem betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen zu sein. Ausreichend ist grundsätzlich, dass einzelne diesem Gewerbe zuzuordnende Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend verrichtet werden[15].

Voraussetzung für das Vorliegen der Ausnahme für Betriebe des Steinmetzhandwerks nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 13 VTV ist, dass die in § 1 Nr. 2.1 TV Steinmetz aufgeführten Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend ausgeübt werden. Dies war im Streitzeitraum nicht der Fall.

Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass die Arbeiten in der selbständigen Betriebsabteilung handwerklich ausgeführt werden[16].

Ebenso kann mit der bisherigen Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung[17] zu deren Gunsten weiter angenommen werden, dass es auf die Beschäftigung von gelernten Steinmetzen nicht ankommt, weil die für „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ entwickelte sog. Geprägerechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[18] bei § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 13 VTV keine Anwendung findet. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob die von der Sozialkasse hiergegen vorgebrachten Argumente durchgreifen.

Bei den in der selbständigen Betriebsabteilung „Beschichtung von Industrieböden“ durchgeführten Tätigkeiten handelt es sich jedenfalls nicht um Tätigkeiten, die § 1 Nr. 2.1 TV Steinmetz unterfallen. Die gewerblichen Arbeitnehmer der Unternehmerin haben im Tarifsinn des TV Steinmetz weder Natur- oder Betonwerkstein und Bekleidungen oder Beläge hergestellt oder bearbeitet noch Natursteinprodukte verlegt oder versetzt. Diese Tätigkeiten beziehen sich – soweit hier relevant – auf die Herstellung von Bodenbelägen aus Natur- oder ggf. Kunststeinen in fester Form und nicht auf deren Herstellung durch Ausbringen einer Beschichtungsmasse. Das ergibt die Auslegung des TV Steinmetz[19].

Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezieht sich die Tätigkeit des Verlegens auf körperlich feste Gegenstände. „Etwas verlegen“ steht für „etwas legen, anbringen, zB Gleise, Leitungen, Kabel, Rohre, oder den Fußboden mit etwas belegen, mit einem Belag versehen“. „Legen“ bedeutet „etwas auf eine bestimmte Stelle, Fläche bringen und dort befestigen, an einen Platz tun“[20]. Die Tätigkeiten beziehen sich auf körperlich feste Gegenstände[21]. Demgegenüber werden Flüssigkeiten nach allgemeinem Sprachgebrauch regelmäßig auf die Oberfläche gegossen, möglicherweise auch gestrichen, gespritzt oder auf andere Weise aufgebracht und verteilt. Sie werden, uU mithilfe eines Geräts, in einer Schicht über etwas verteilt, irgendwo aufgetragen, streichend verteilt[22]. Nichts anders gilt für zähflüssige Massen, auf die sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht berufen haben. Abgesehen davon, dass das Bundesarbeitsgericht an die nicht mit einer Gegenrüge angegriffene und damit nach § 559 Abs. 2 ZPO bindende Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden ist, dass die zu verteilende Masse flüssig ist, wird auch eine in der Konsistenz zähere Masse, die nicht als körperlich fester Gegenstand anzusehen ist, nicht verlegt, sondern verteilt, verstrichen und geglättet.

Der Bezug auf einen festen Gegenstand ergibt sich zudem aus der Systematik des TV Steinmetz. Die Tätigkeit des Verlegens steht neben der des Versetzens. Beide beziehen sich in gleicher Weise auf Natursteinprodukte und Produkte aus anderen Materialien. Die Tätigkeiten sind damit an den identischen Werkstoffen zu versehen. „Versetzen“ steht für „Natursteine fest an- und einfügen“, für „das Einfügen von Stein, Holz- und Eisenobjekten in den Bau“. Speziell mit Blick auf die Tätigkeit eines Steinmetzes geht es um „das Einsetzen der vom Steinmetz bearbeiteten Teile“[23]. Damit können nur körperlich feste Gegenstände versetzt werden. Beziehen sich beide Tätigkeiten auf dieselben Produkte, setzt auch das Verlegen im Tarifsinn voraus, dass ein körperlich fester Werkstoff Gegenstand dieser Tätigkeit ist.

Damit wird deutlich, dass die den TV Steinmetz schließenden Tarifvertragsparteien die „klassische“ Form des Verlegens von vorgefertigten oder vorher angefertigten Belägen in Form von Platten und Fliesen im Blick hatten, die – ggf. erst vor Ort, zugeschnitten, eingepasst und auf die Bodenoberfläche gelegt werden. Der tarifliche Wortgebrauch weist darauf hin, dass es sich um Produkte handeln muss, die nicht irgendwie, sondern in einer spezifischen Weise auf ihren Bestimmungsort gelangen. Es reicht nicht aus, dass sie im Ergebnis – als Beschichtungen – an der Oberfläche haften, sondern sie müssen „verlegt“ werden (vgl. zu § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV BAG 19.02.2014 – 10 AZR 428/13, Rn. 14). Soweit das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 27.10.2004[24] ohne weitere Begründung angenommen hat, das Aufbringen eines fugenlosen Kunststoffbelags, dem gradierter Naturquarz beigegeben ist, stelle ein Verlegen und Versetzen von Natursteinprodukten iSd. Tätigkeitskatalogs des § 1 Abs. 2 Nr. 2.1 TV Steinmetz dar, hält er daran nicht fest.

Die von der Unternehmerin hergestellten Bodenbeschichtungen erfüllen auch nicht das Tarifmerkmal des Herstellens von Belägen, auf das sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht berufen haben.

Der Wortlaut des TV Steinmetz lässt zwar kein eindeutiges Bild erkennen. Ein Belag kann nach allgemeinem Sprachgebrauch eine dünne Schicht sein, mit der etwas überzogen ist und die sich auf etwas gebildet hat. Sie ist aber auch als feste Schicht zu begreifen, die auf etwas gelegt und befestigt wird[25]. Dementsprechend ist es nicht ausgeschlossen, eine durch Aufbringen von Flüssigkeit entstandene Beschichtung eines Bodens als „Belag“ zu bezeichnen[26].

Die Systematik des TV Steinmetz zeigt jedoch, dass es sich bei den Belägen im Tarifsinn um körperlich feste Gegenstände handeln muss. Die Tätigkeiten des Herstellens und Bearbeitens beziehen sich nicht nur auf Beläge, sondern ua. auch auf Natur- und Betonwerksteine sowie Bekleidungen. Dabei handelt es sich um körperlich feste Gegenstände. Ein Werkstein ist ein bearbeiteter, meist quaderförmig behauener Naturstein[27] und damit ein körperlich fester Gegenstand. Als „Bekleidung“ wird nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Verkleidung, häufig einer Wand, bezeichnet[28]. „Verkleiden“ wiederum steht für „etwas mit einer verhüllenden Schicht, Abdeckung oder Ähnlichem versehen“, „etwas verhüllen oder bedecken“[29]. Dabei steht bei Steinmetzen die Verkleidung von Gegenständen mit Platten als körperlich festen Gegenständen im Mittelpunkt. Ein körperlich nicht festes Gemisch aus Sand, Wasser und Bindemittel, das insbesondere auf Wände aufgetragen wird, um sie zu verkleiden, wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Bekleidung, sondern als Putz bezeichnet[30].

Dementsprechend fällt die von der Unternehmerin durchgeführte Herstellung von Bodenoberflächen mit einer Beschichtungsmasse – unabhängig vom Anteil des beigemischten Quarzsandes und Quarzmehls – auch nicht unter das Berufsbild des Steinmetzes.

Nach der bis zum 31.07.2018 geltenden und für den Streitzeitraum maßgeblichen Verordnung über die Berufsausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer/zur Steinmetzin und Steinbildhauerin vom 09.05.2003[31] war Gegenstand der gemeinsamen Berufsausbildung ua. das Bearbeiten von natürlichen und künstlichen Steinen und Platten (§ 3 Abs. 1 Nr. 11 SteinAusbV 2003), das Herstellen von Bauteilen aus mineralisch- und kunststoffgebundenen Materialien (§ 3 Abs. 1 Nr. 12 SteinAusbV 2003) sowie das Herstellen von Bauteilen aus natürlichen und künstlichen Steinen, das Verlegen von Platten und Fliesen, das Versetzen von Werkstücken (§ 3 Abs. 1 Nr. 13 SteinAusbV 2003). In der Fachrichtung Steinmetzarbeiten war nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 SteinAusbV 2003 ua. das Verlegen von Bodenbelägen und Versetzen von Treppen (Buchst. a) zu erlernen. Für das Verlegen von Bodenbelägen iSv. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a SteinAusbV 2003 setzte der als Anlage zur SteinAusbV 2003 maßgebliche Ausbildungsrahmenplan in Abschn. II Buchst. A Nr. 1 an Fertigkeiten und Kenntnissen ua. voraus, Bodenplatten nach Gestaltungsmerkmalen in unterschiedlichen Verlegetechniken zu verlegen (Buchst. a), Anschlüsse herzustellen und Fugen zu schließen (Buchst. d).

Die im Zusammenhang mit der Verlegung von Bodenbelägen zu erlernenden Fertigkeiten und Kenntnisse beziehen sich auf die Belegung des Bodens mit vorgefertigten oder vorher angefertigten, körperlich festen Belägen. Steinmetze und Steinbildhauer der Fachrichtung Steinmetzarbeiten stellen Boden- und Fassadenplatten, Treppen oder Grabsteine aus Natur- und Kunststein her und verlegen bzw. versetzen die Erzeugnisse vor Ort (Bundesagentur für Arbeit, Tätigkeitsbeschreibung von Steinmetz/in und Steinbildhauer/in der Fachrichtung Steinmetzarbeiten)).

Auch der zum 1.08.2018 in Kraft getretenen Steinmetz- und Steinbildhauerausbildungsverordnung vom 13.04.2018[32], die das Landesarbeitsgericht irrtümlicherweise bereits herangezogen hat, liegt dieses Verständnis zugrunde. Soweit der als Anlage beigefügte Ausbildungsrahmenplan in Abschn. B Nr. 1 Buchst. a festhält, dass an Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen für das Verlegen von Bodenbelägen erforderlich ist, Bodenbeläge nach Vorgaben und Gestaltungsmerkmalen in unterschiedlichen Verlegetechniken verlegen zu können, ist damit keine Ausweitung auf Bodenbeschichtungen wie im Streitfall verbunden. Aus dem Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf „Steinmetz und Steinbildhauer und Steinmetzin und Steinbildhauerin“ nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 23.02.2018 ergibt sich, dass sich die Verlegetechniken, die im Klammerzusatz mit Buttering und Floating näher definiert werden, auf feste Körper beziehen.

Die Ansprüche sind im hier entschiedenen Fall auch nicht verfallen. Sie wurden rechtzeitig innerhalb der maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren für Ansprüche, die bis zum 31. Dezember 2014 fällig geworden sind, bzw. von drei Jahren für Ansprüche, die ab dem 1. Januar 2015 fällig geworden sind, geltend gemacht (vgl. § 24 Abs. 1 VTV 2011 und 2012, § 21 Abs. 1 VTV 2013 I bis 2018). Dass sich der Kläger teilweise zunächst auf die AVE als Geltungsgrund und erst im Lauf des Prozesses auf das SokaSiG berufen hat, ist unschädlich. Bei den Beitragsansprüchen handelt es sich um denselben Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die VTV aufgrund einer AVE oder nach § 7 SokaSiG zur Anwendung kommen (BAG 28. April 2021 – 10 AZR 404/18 – Rn. 35; 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 44 mwN, BAGE 169, 285).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2022 – 10 AZR 322/20

  1. BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 14 ff.; 11.08.2020 – 1 BvR 1115/18, Rn. 2; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 42 ff., BAGE 164, 201[]
  2. vgl. BAG 20.11.2018 – 10 ABR 12/18; 21.03.2018 – 10 ABR 62/16, BAGE 162, 166[]
  3. BAnz. AT 17.05.2019 B1[]
  4. vgl. dazu zB BAG 24.02.2021 – 7 AZR 99/19, Rn. 21 mwN[]
  5. st. Rspr., zB BAG 8.12.2021 – 10 AZR 362/19, Rn.19[]
  6. BAG 14.07.2021 – 10 AZR 190/20, Rn. 21 mwN[]
  7. BAG 27.10.2004 – 10 AZR 119/04, zu II 3 b aa der Gründe mwN[]
  8. st. Rspr., zB BAG 8.12.2021 – 10 AZR 362/19, Rn. 28[]
  9. vgl. BAG 14.07.2021 – 10 AZR 135/19, Rn. 28 f.[]
  10. BAG 20.04.2005 – 10 AZR 282/04, zu II 3 a der Gründe; vgl. zu Montagebauarbeiten BAG 15.07.2020 – 10 AZR 337/18, Rn. 42, BAGE 171, 247[]
  11. st. Rspr., zB BAG 8.12.2021 – 10 AZR 362/19, Rn. 31[]
  12. vgl. BAG 19.02.2014 – 10 AZR 428/13, Rn. 21[]
  13. vgl. BAG 19.02.2014 – 10 AZR 428/13, Rn. 13 ff.; 22.06.1994 – 10 AZR 656/93, zu II 2 b der Gründe[]
  14. BAG 28.04.2021 – 10 AZR 34/19, Rn. 17 mwN[]
  15. BAG 28.04.2021 – 10 AZR 34/19 – aaO[]
  16. vgl. zur Abgrenzung zum Industriebetrieb zB BAG 27.03.2019 – 10 AZR 318/17, Rn. 35 mwN[]
  17. vgl. BAG 27.10.2004 – 10 AZR 119/04, zu II 4 h der Gründe; 12.02.2003 – 10 AZR 251/02, zu II 3 g der Gründe[]
  18. vgl. zB BAG 28.04.2021 – 10 AZR 34/19, Rn.19 mwN[]
  19. vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen die st. Rspr., zB BAG 13.10.2021 – 4 AZR 365/20, Rn. 21[]
  20. Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichworte „verlegen“ und „legen“; Duden Deutsches Universalwörterbuch 9. Aufl. Stichworte „verlegen“ und „legen“[]
  21. vgl. die Beispiele unter www.duden.de Stichwort „legen“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  22. www.duden.de Stichworte „streichen“ und „verstreichen“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  23. vgl. Grimm Deutsches Wörterbuch Stichwort „versetzen“ Bedeutung 6[]
  24. BAG 27.10.2004 – 10 AZR 119/04, zu II 4 c der Gründe[]
  25. www.duden.de Stichwort „Belag“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  26. BAG 19.02.2014 – 10 AZR 428/13, Rn. 14[]
  27. www.duden.de Stichwort „Werkstein“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  28. www.duden.de Stichwort „Bekleidung“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  29. www.duden.de Stichwort „verkleiden“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  30. vgl. www.duden.de Stichwort „Putz“, zuletzt abgerufen am 27.04.2022[]
  31. BGBl. I 2003 S. 690; BGBl. I 2004 S. 2601; SteinAusbV 2003[]
  32. BGBl. I S. 447, StmStb-AusbV[]