Beitragspflichten zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft – und die Hemmung des Verfalls

Der Verfall der Beitragsansprüche der Sozialkassen der Bauwirtschaft richtet sich nach § 24 Abs. 1 VTV 2009, VTV 2011 und VTV 2012 sowie § 21 Abs. 1 VTV 2013 I, VTV 2013 II, VTV 2014 und VTV 2015. Danach verfallen die Ansprüche der Kasse gegen den Arbeitgeber, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht werden. Für den Beginn der Frist gilt § 199 BGB entsprechend. Der Verfall wird auch gehemmt, wenn die Ansprüche rechtzeitig bei Gericht anhängig gemacht werden.

Beitragspflichten zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft – und die Hemmung des Verfalls

Hiernach waren die streitgegenständlichen Beitragsansprüche in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht verfallen: Der älteste Beitragsanspruch dieses Zeitraums für Dezember 2013 war nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 I mit dem 20.01.2014 fällig. Damit begann die Verfallfrist für Beitragsansprüche aus diesem Zeitraum frühestens mit dem Schluss des Jahres 2014 zu laufen und endete am 31.12.2018. Die Beiträge für den Zeitraum bis Oktober 2014 hat die Sozialkasse in einer im Kammertermin am 24.01.2018 übergebenen Liste nach Monaten aufgeschlüsselt. Damit hat er die Beitragsansprüche für Dezember 2013 bis Oktober 2014 rechtzeitig und hinreichend konkret iSd. Ausschlussfristen der Verfahrenstarifverträge gerichtlich geltend gemacht. Die Beitragsansprüche für den Zeitraum ab November 2014 hat die Sozialkasse rechtzeitig und hinreichend bestimmt mit verschiedenen Mahnanträgen sowie schriftsätzlich erhoben.

Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen dagegen nicht erkennen, ob die Beitragsansprüche für den Zeitraum von Dezember 2011 bis November 2013 rechtzeitig iSd. Ausschlussfristen der Verfahrenstarifverträge gerichtlich geltend gemacht worden sind. Die Sozialkasse könnte die Ansprüche für Dezember 2011 bis November 2013 innerhalb der Verfallfrist mit verschiedenen Mahnanträgen rechtzeitig anhängig gemacht haben. Das setzt voraus, dass die Ansprüche in den Mahnanträgen in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert worden sind[1]. Macht die Sozialkasse mit einem Mahnantrag Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer geltend, sind die Vorgaben des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich erfüllt, wenn sie darlegt, von welchem Arbeitgeber sie für welche Kalendermonate Beiträge in welcher Höhe begehrt[2].

Der bezifferte Beitragsanspruch für Dezember 2011 ist hinreichend bestimmt. Für ihn wird das Landesarbeitsgericht lediglich festzustellen haben, ob der betreffende Mahnantrag rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist beim Arbeitsgericht eingegangen ist.

Hinsichtlich der Beitragsansprüche für den Zeitraum von Januar 2012 bis November 2013 wird das Landesarbeitsgericht sowohl festzustellen haben, ob die betreffenden Mahnanträge rechtzeitig bei Gericht eingegangen sind, als auch, ob die Vorgaben des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingehalten sind. Im Hinblick auf die Beitragsansprüche für Januar bis November 2012 wird das Landesarbeitsgericht den Umstand zu würdigen haben, dass der Mahnantrag auf den Hinweis des Gerichts, der ursprüngliche Antrag sei nicht lesbar, erneut eingereicht worden ist.

Die im Kammertermin am 24.01.2018 übergebene Liste über die Höhe der nach Monaten aufgeschlüsselten Bruttolohnsummen führt für den Beitragszeitraum bis November 2013 nicht dazu, dass die Ausschlussfristen eingehalten sind. Die von der Sozialkasse für den Zeitraum von Dezember 2011 bis November 2013 geltend gemachten Beitragsansprüche sind nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2009, VTV 2011 und VTV 2012 sowie § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 I spätestens im Dezember 2013 fällig geworden, sodass die Verfallfrist für die jüngsten dieser Ansprüche am 31.12.2017 endete. Die nötige Individualisierung konnte nach Ablauf der Ausschlussfrist am 24.01.2018 nicht mehr mit hemmender Wirkung nachgeholt werden. Die nachträgliche Individualisierung des Klageanspruchs kann zwar dazu führen, dass die Klage iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig wird. Sie kann den Verfall aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfristen jedoch nicht rückwirkend abwenden[3].

Der Arbeitgeber ist vorliegend auch an die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes gebunden. Für den Zeitraum von Januar 2015 bis Mai 2017 ergibt sich die Bindung an den VTV 2014 und den VTV 2015 aus § 5 Abs. 4 TVG iVm. den wirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen[4]. Für den gesamten streitigen Zeitraum von Dezember 2011 bis Mai 2017 ist der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 bis 7 iVm. den Anlagen 26 bis 32 SokaSiG an die Verfahrenstarifverträge gebunden. Das SokaSiG ist als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verfassungsgemäß[5].

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2021 – 10 AZR 43/19

  1. vgl. BAG 18.12.2019 – 10 AZR 424/18, Rn. 58[]
  2. BAG 16.09.2020 – 10 AZR 56/19, Rn. 66; 27.11.2019 – 10 AZR 476/18, Rn.20 ff., BAGE 168, 374[]
  3. vgl. für die Verjährung BGH 18.06.2015 – III ZR 189/14, Rn. 16; 21.10.2008 – XI ZR 466/07, Rn. 17, 19 ff.[]
  4. AVE VTV 2015 und AVE VTV 2016[]
  5. BAG 27.01.2021 – 10 AZR 384/18, Rn. 67 ff. mwN; vgl. inzwischen auch BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 14 ff.; 11.08.2020 – 1 BvR 1115/18, Rn. 2 f.[]