Ausschachtarbeiten zum Pauschalpreis – und der verfüllte Gewölbekeller

Stellt der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein Bodengrundgutachten zur Verfügung, nach dem lediglich mit Bodenklassen 1 bis 5 zu rechnen ist, und stellt sich bei der Durchführung der Baumaßnahme heraus, dass sich unter dem Gebäude ein mit Bauschutt verfüllter Gewölbekeller (Bodenklassen 6 und 7) befindet, hat das von den Parteien nicht vorhergesehene Risiko einer solchen Erschwerung der Auftraggeber zu tragen. Es handelt sich um eine maßgebliche Änderung der Geschäftsgrundlage.

Ausschachtarbeiten zum Pauschalpreis – und der verfüllte Gewölbekeller

Allgemein gilt: Durch den vereinbarten Pauschalpreis sind solche Mehraufwendungen, die auf falschen Angaben des Auftraggebers in seiner Leistungsbeschreibung beruhen, nicht mit abgegolten. Die Nichtankündigung einer Mehrforderung ist unschädlich, wenn dem fachkundigen Auftraggeber nicht verborgen bleiben konnte, dass die von ihm geforderte Zusatzleistung vergütet werden musste und eine alternative Ausführungsart nicht ersichtlich war.

Haben die Bauvertragspartner einen VOB-Bauvertrag als Pauschalvertrag auf der Grundlage eines vom Auftragnehmer erstellten Leistungsverzeichnisses und eines bei Vertragsschluss vorliegenden geologischen Untersuchungsberichts über die Bodenverhältnisse geschlossen, so scheitern Nachtragsforderungen des Auftragnehmers jedenfalls dann, wenn die vorgefundenen Bodenverhältnisse aus dem Untersuchungsbericht erkennbar oder jedenfalls vorhersehbar waren und deshalb keine Abweichung vom vertraglich zugrunde liegenden Beschaffenheits-Soll des Baugrundes als des vom Auftraggeber beigestellten Stoffes vorliegt.

Konnte der Auftragnehmer bei aller gebotenen Sorgfalt und zumutbarer Überprüfung die eingetretenen Erschwernisse bei der Auftragsvorgabe nicht voraussehen und führt dies zu einer Änderung der Preisermittlungsgrundlagen, steht dem Auftragnehmer auch bei einem Pauschalpreisvertrag ein Mehrvergütungsanspruch unter den Voraussetzungen von § 2 Nr. 5 VOB/B zu.

Wird in einem Leistungsverzeichnis auf möglicherweise auftretende Erschwernisse hingewiesen und wird unter solchen Umständen auf ein Leistungsverzeichnis ein Pauschalangebot abgegeben, so ist davon auszugehen, dass aus der Sicht des Angebotsempfängers nach dessen Empfängerhorizont die Pauschalierung auch die in diesem Punkt angesprochene Problematik mit umfasst.

Behauptet der Auftraggeber, Zusatzarbeiten hätten zum Bausoll gehört, steht die Notwendigkeit der Ausführung außer Streit. Entsprechen die zusätzlichen Leistungen nicht dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers, so muss er dies, entgegen der grundsätzlichen Darlegungslast, substantiiert unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen bestreiten.

Inwieweit eine detaillierte Angabe im Leistungsverzeichnis einer funktionalen Ausschreibung dazu führt, dass sie die Pauschalierung der Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung des Vertrages. Die Auslegung kann auch ergeben, dass die detaillierte Angabe lediglich die Geschäftsgrundlage des Vertrages beschreibt. Beschreibt der Auftraggeber in einem Pauschalvertrag Mengen oder die Mengen beeinflussende Faktoren, können diese zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden sein. Das kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen durfte, der Auftraggeber habe eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen. In diesem Fall kommt ein Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B in Betracht, wenn sich eine deutliche Mengensteigerung ergibt. Wirken sich die von den irreführenden Angaben des Auftraggebers im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, ist das Festhalten an der Preisvereinbarung häufig nicht mehr zumutbar. Auf eine starre Risikogrenze von 20 % der Gesamtvergütung kann nicht abgestellt werden.

Da es nicht Aufgabe des ausschachtenden Unternehmers war, Bodengrunduntersuchungen vorzunehmen, gehörte dieser Umstand nicht “in die örtliche Situation, die der Auftragnehmer geprüft hatte”. Im Gegenteil: Der Unternehmer durfte sich auf das von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellte Bodengrundgutachten dahin verlassen, dass lediglich mit Bodenklassen 1 bis 5 zu rechnen war. Abweichend von den Sachverhalten, die dem Oberlandesgericht Düsseldorf und dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorlagen, hatte der Unternehmer vorliegend nicht etwa ein pauschales Angebot abgegeben, das jegliche Risiken umfassen sollte, sondern auf der Grundlage des von der Auftraggeberin erstellten Leistungsverzeichnisses ein Detail-Angebot unterbreitet. Aus dem Leistungsverzeichnis oder sonstigen Unterlagen, die die Auftraggeberin dem Unternehmer zur Verfügung stellte, waren die Erschwernisse gerade nicht erkennbar.

Das von den Parteien nicht vorhergesehene Risiko einer solchen Erschwerung hat nicht der Unternehmer, sondern hat die Auftraggeberin zu tragen. Es handelt sich um eine maßgebliche Änderung der Geschäftsgrundlage. Das Vertragsgefüge zwischen den Parteien würde ohne sachlichen Grund einseitig zu Lasten des Unternehmers verändert, wollte die Auftraggeberin das Risiko, das sich im Baugrund realisiert hat, auf den Unternehmer abwälzen. Dieser Umstand betrifft nicht die Risikosphäre des Bauunternehmers, sondern die der Auftraggeberin.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 9. August 2012 – 5 U 34/12